KAPITÄN SCHWANDT: Aberglaube auf See

Aberglaube ist ein großes Thema auf See. Vor allem an einem Freitag, den 13ten. Kapitän Schwandt erzählt uns in einer Kolumne, wieso das so ist. Auszug aus seiner Biographie „Sturmwarnung„.

„Die meisten Seeleute, die ich kenne, pflegen ihren Aberglauben. Ich ebenfalls.  In meinen ersten Jahren als Schiffsjunge war ich auf Segelschiffen unterwegs. Wer an Deck pfiff, bezog von den älteren Matrosen sofort eine Tracht Prügel. Wer pfiff, lockte den nächsten Sturm herbei. Ganz klar war für die älteren Matrosen auch, dass Frauen an Bord Unglück bringen. Ihr Mantra: Alles, was nicht im Stehen über die Reling pinkeln kann, hat auf einem Schiff nichts zu suchen.

Haiflossen am Klüverbaum

In Albatrossen und Sturmvögeln wohnten die Seelen ertrunkener Seeleute. Dass ganz Bekloppte Haifischflossen an den Klüverbaum nagelten, um böse Geister zu vertreiben, geschah glücklicherweise vor meiner Zeit.

Ich kenne einen Kapitän, der vor jeder Seereise Neptun eine Flasche Schnaps opferte. Die Marke war dem Gott des Meeres egal, aber die Flasche durfte nicht angebrochen sein. Einmal hatte der Kollege nichts Passendes zur Hand und warf eine Flasche Scotch über Bord, aus der schon ein paar Schluck fehlten. Prompt herrschte während der kompletten Reise miserables Wetter, mit Sturm von vorne und meterhohen Wellen. Der Kollege versprach Neptun, es nie wieder zu tun.

Woher der Aberglaube stammt? Schaukeln Sie mal bei Windstärke 13 in einer Nussschale über den Nordatlantik! In diesen Stunden muss man sich an irgendetwas festhalten, in jeder Hinsicht. Mit der Kirche und dem Glauben hatten es viele Seeleute nicht unbedingt (für Pastoren, als „Pfaffen“, galten dieselben Regeln wir für Frauen an Bord). Was blieb, waren Glücksbringer, die von der Liebsten mitgegeben wurden. Viele Seeleute trugen einen Talisman bei sich. Meinen ließ ich mir in den linken Arm stechen: einen Glücksdrachen, mit dem mich ein unbedarfter Tätowierer in einem Hinterzimmer von Rotterdam verzierte.

Talisman und Aberglaube

Der Glücksdrachen sieht nach mehr als sechs Jahrzehnten eher aus wie ein Glückskeks, aber er hat mir treue Dienste geleistet. Drei Mal bin ich auf See dem Tod knapp entkommen, in einem furchtbaren Orkan, in einem Krieg und bei einem schweren Unfall in einem afrikanischen Hafen.

Aber das ist eine andere Geschichte.“

Jürgen Schwandt, Jahrgang 1936, wuchs in Hamburg Sankt Georg auf. Seine hochgelobte Biographie „Sturmwarnung“ , 42 Wochen lang SPIEGEL-Bestseller, gibt es wegen des Papiermangels derzeit nur als Ebook.

 

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