Käpt’n Charly – ein Leben für die See. Vatertag!

Ich habe nicht oft Vatertag gefeiert. Meistens war ich zum Fischen draußen auf See oder nicht in der Stimmung, mich zu besaufen, nur weil mir das ein Datum vorschrieb. Als ich 20 war, sah das anders aus. Ich besuchte damals die Steuermannsschule, hatte aber auch einige Freunde unter den Hafenarbeitern. 1959 gab es noch keine Container, nur Kisten, einen Kran und kräftige Männer – meist alte Seeleute oder düstere Kiezgestalten. Ich hatte sie beim Skatspielen in den Kneipen von Cuxhaven kennengelernt. Mit Otto, einem wuchtigen Ostpreußen, der nur zwei Jahre älter war als ich und ein paar Straßen vom Haus meiner Eltern entfernt wohnte, verstand ich mich besonders gut.

Da die Mädchen damals gerne Eierlikör mit Sinalcobrause tranken – schrecklich süß, aber ein sicheres Mittel, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen – hatten Otto und ich beschlossen, eine Portion aufzusetzen. Er besorgte den Rum und ich die Eier von einem benachbarten Bauern. Noch bevor wir das Eigelb und -weiß von gut zwanzig Eiern getrennt hatten, war die Flasche Rum leer. So endete es immer mit den Schauerleuten. Mit dem Willen, der sie manchmal zwei bis drei Acht-Stunden-Schichten hintereinander schuften ließ, tranken sie auch.

Und an Christi Himmelfahrt fragten sie mich, ob ich mit ihnen den Vatertag feiern wollte.

 

charly-brille.jpg

Vatertag mit Schauerleuten

Während meine Freunde für die Schule lernten, saß ich zwischen 40 Hafenarbeitern, von denen einige meine Väter hätten sein können, in einem Bus. Acht Uhr morgens, mit einem Bier in der Hand. Auf einer anderen Vatertagstour hatten sie mal einen Pferdekarren von einem Bauern gemietet, im betrunkenen Kopf die Gäule nicht richtig angebunden, mussten zum Bauernhof zurück marschieren und versuchen, einen günstigen Preis für die weggelaufenen Tiere zu verhandeln. Dass die Pferde so clever waren, allein nach Hause zu finden und schon wieder im Stall standen, wussten sie nicht. Auch der Bauer schwieg und genoss den Augenblick, diese raubeinigen Gestalten schmoren zu lassen.

Ich hatte mich für die Fahrt extra heraus geputzt und meinen Sonntagsanzug angezogen. Misstrauisch hatte mich meine Mutter am Morgen angeschaut und gefragt: „Was willst du eigentlich auf dieser Fahrt? Du bist doch noch gar nicht Vater.“ Ich zuckte mit den Schultern und beschloss, ihr darauf keine ehrliche Antwort zu geben. Unser Bus hielt in Bad Bederkesa, einem Kurort zwischen Cuxhaven und Bremervörde. Wir kaperten ein kleines Paddelboot und ruderten mit vier Mann und einer ordentlichen Ration Schinkenbrote und Bier auf den See hinaus.

Otto bringt den Kahn zum Kentern

Ich weiß nicht mehr genau warum, ob Otto einigen Mädchen zuwinken oder nur eine über Bord gegangene Flasche aus dem Wasser fischen wollte, jedenfalls brachte dieser ostpreußische Hüne das Boot zum Kentern. Prustend und fluchend schwammen wir zu einer Stelle am Ufer, die mit dichtem Schilf bewachsen war. Während einer von uns zum Boot zurückkehrte, um wenigstens noch ein paar Flaschen Bier zu retten, zogen wir im Schutz der Schilfrohre die durchnässten Kleider aus und hängten sie zum Trocknen auf.

Dann hörten wir Pfiffe und Rufe. Am gegenüberliegenden Ufer war ein Café, aus dem man uns beobachtete. Wir versteckten uns nackt im Schilf. Das schlammige Wasser hatte mein Hemd bläulich grau gefärbt, das helle Jacket konnte meine Mutter am Abend nur noch wegwerfen. In nassen Klamotten stiegen wir zurück in den Bus.

 

Kapitän Charly Behrensen, Jahrgang 1938 war ein Hochseefischer aus Cuxhaven. Er verstarb im Mai 2015. 

Mehr Geschichten von Käpt´n Charly lest Ihr in unserem Klassiker ORKANFAHRT.

 

 

0 comments