Das erste Mal in Frankfurt. Morgens habe ich noch an den Landungsbrücken auf meine Elbe geguckt. Am Abend sitze ich am Ufer des Mains und staune. Das Erste, was mir auffällt, sind die Fußgängerbrücken. Ich laufe über die Zeil zu meinem Hotel. Ein Mann sitzt mit seinem Hund auf einer Isomatte. Da liegt noch etwas neben ihm auf dem Boden, das ich sehr gut kenne. Mein Buch!
Momente von Urvertrauen
Ich spreche ihn an. Er fängt an zu weinen, weil er es nicht glauben kann, dass ich mich einfach zu ihm setze. Er liest das Buch schon zum zweiten Mal, erzählt er mir, und alle leihen es sich aus. „Es macht die Runde“, sagt er und lacht. Ich streichle den Hund. Bei Tieren gibt es die Momente von Ur-Vertrauen. Er guckt mich mit staunenden Augen an. Eigentlich kann man nicht so an ihn ran. Die letzten, die es versucht haben, wurden gebissen. Sein Herrchen ist ein anderer Mann, der jetzt auf uns zu schwankt.
Bei stellen sich beide mit ihren richtigen Namen vor, was wirklich besonders auf der Straße ist. Dann wird gebechert. Einer der Männer war als Koch auf der ganzen Welt unterwegs, auch viel in Asien unterwegs. In Japan lernte er seine Frau kennen. Sie bekam ein Kind und verließ ihn.
Seine Augen werden tief traurig. Bis heute hat er sich von diesem Schmerz nicht erholt. Ich denke: Wie krass Menschen lieben können. Sein gebrochenes Herz hat ihn hierher gebracht. Er trinkt, um sich zu betäuben, und schlägt sich mit seinem Kollegen durch. Die beiden verstehen sich richtig gut. Ich sage oft, dass es keine Freundschaft auf der Straße gibt. So habe ich das damals erlebt. Jetzt habe ich wieder etwas gelernt.
Man muss ein Tagesziel haben
„Wir stehen morgens auf und planen, was wir am Abend zum Essen zubereiten.“ Es werden Listen erstellt und ausgerechnet, für welches Geld welche Mahlzeit möglich wäre. Die Liste wird sorgfältig in großen Buchstaben abgeschrieben und ausgelegt. Die Jungs setzen sich vor Supermärkte und jeder, der mag, kann ihnen die Zutaten mitbringen. Man muss ein Tagesziel haben.
Es ist halb fünf Morgens, als wir die Platte verlassen. Vorher schreibe ich ihnen eine Widmung ins Buch: „Zweite Chance.“
Abreise, weiter nach Darmstadt, zur nächsten Lesung. Um 12 Uhr checke ich aus dem Hotel. Ich laufe wieder Richtung Konstablerwache, einem Platz im Zentrum. Auf einer Wiese im Park sehe ich die Jungs wieder. Sie laden mich zum Essen ein: Scampis und griechischen Salat. Der billige Wodka steht daneben und die Flasche ist schon wieder fast leer. Das macht mich traurig, aber es ist okay.
Wir essen gemütlich. Die Reste verschenken sie an eine Punker Truppe, die ebenfalls im Park unter den Bäumen etwas Schatten suchen. Es sind wirklich herzliche Menschen.
Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: „Unter Palmen aus Stahl“, überall im Handel und hier bei uns im Shop.