„Wach auf! Da sind Schritte an Deck!“
Es ist kurz nach halb drei Uhr im Hafen von Harlingen, der Wind pfeift um die Aufbauten und durch das Bullauge sieht man die Lichter des Hafens. In der Nachbarschaft liegen große Trawler, die hinaus gehen auf die Nordsee.
Tapp-Tapp-Tapp-Tapp-Tapp-Tapp.
Ganz eindeutig, das sind Schritte an Deck, laut und deutlich.
Das Geisterschiff – spukt es an Bord?
Wir sind an Bord der Langenort, einem ehemaligen DDR-Schlepper, der nun im Hafen liegt. Früher zog und schob er Frachter, heute ist er ein Ferienhaus mit acht Betten und einer herrlich gemütlichen Messe. Gegen Mitternacht saßen wir oben im Führerhaus und sahen zu, wie einige Kutter in die Dunkelheit hinaus liefen.
Doch nun diese Schritte, ganz eindeutig Schritte. Meine Frau und unsere älteste Tochter, die ebenfalls wach geworden ist, haben Recht. Da geht jemand übers Deck.
Ich nehme die Treppe hinauf. Regen fällt, Neonlicht auf der Pier, aber niemand ist zu sehen. Wer an Bord will, muss auf den Anleger und dann über die Gangway übersteigen. Wer sollte das tun und warum?
Wir müssen uns wohl doch verhört haben.
(Fotos: Ankerherz // historische Bilder von dieser empfehlenswerten Seite über die DDR-Schifffahrt.)
Zurück in der Koje kann ich nicht einschlafen. Das Wlan funktioniert, mal sehen, welche Historie die Langenort hat. Was auf der Seite des Vermieters steht, stimmt nicht: Die „Langenort“ war nicht auf den sieben Weltmeeren im Einsatz, sondern vor allem in der Ostsee, vor dem Hafen von Rostock, bevor sie verkauft wurde. Gebaut wurde sie im „VEB Edgar Andre Werft“ in Magdeburg, als einer der fünf Schlepper dieses Typs. Zwei sind verschollen, einer abgewrackt, einer operiert heute angeblich in Kenia.
Die Langenort, steht in einem Artikel, war als schwimmende Abtreibungsklinik vor der Küste von Danzig im Einsatz, für eine Gruppe von Frauenrechtlerinnen.
Wieder diese Schritte.
Tapp-Tapp-Tapp-Tapp-Tapp-Tapp.
Kurze Pause, dann wieder.
Spukt es an Bord der Langenort? Ich glaube nicht an Geister oder Hokuspokus, wirklich nicht, doch diese Schritte sind laut und deutlich zu hören. Gemütlich ist es jedenfalls auf dem Geisterschiff und man gewöhnt sich an das Tapp-Tapp-Tapp. Der Wind pfeift ums Schiff und irgendwann schlafen wir wieder ein. Das Schiffshorn der Terschelling-Fähre weckt uns am Morgen. Erst mal einen Becher Kaffee in der Messe.