Der Orkan weht direkt aus Westen und trifft die Inseln Nordfrieslands mit voller Wucht. Vor der Küste geraten Dutzende Schiffe in Not, mehr als fünfzig sollen es wohl sein, in dieser Nacht des 18. Oktober 1935. Einer der Frachter, der sich in argen Schwierigkeiten befindet, ist die französische „Adrar“.
Das Schiff ist auf dem Weg von Hamburg nach Antwerpen. Ausgerechnet in der schweren See meldet der Maschinist einen Schaden, und wenig später bricht das Hauptruder. Ohne Antrieb und ohne eine Chance, den Frachter zu steuern, wird die „Adrar“ zum Spielzeug des Sturms. Seemeile für Seemeile treibt der Orkan das Schiff nach Norden.
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SOS! Der Notruf wird von der Besatzung des Panzerkreuzers „Admiral Scheer“ empfangen, und man startet eine Rettungsmission. Doch als das Wasser vor den Inseln immer flacher wird, bricht man ab, um das eigene Schiff nicht zu gefährden. Das große Kriegsschiff hat mehr als sieben Meter Tiefgang.
Der Frachter landet mitten auf dem Strand
Um kurz nach 21 Uhr wird die „Adrar“ vor Westerland gesichtet. Helfer machen sich auf den Weg und marschieren in Sturm und Regen stundenlang bis zur Blidelbucht. Als sie eintreffen, biete sich ihnen ein unglaubliches Bild: Der große Frachter mit dem markanten Bug liegt auf dem Strand! Mitten auf dem Sand. Oben an der Verschanzung steht die Crew, zu der auch Chinesen und Schwarze zählen. Für einige Retter von Sylt ist auch dies eine Sensation.
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Doch nun wird es noch merkwürdiger. Der Kapitän der „Adrar“ erscheint an Deck, mit klaren Ansagen. Hilfe werde nicht benötigt. Und niemand darf an Bord, unter keinen Umständen. Für die erstaunten Retter gibt es eine Flasche Kognak. Damit sollen sie wieder gehen.
Havarist wird zur Attraktion
Der Frachter liegt nun auf dem Strand, als eine neue Attraktion. Einheimische kommen, um den Havaristen zu bestaunen, auch Fotografen wie Bleicke Bleicken, Inselfotograf und Bürgermeister von Kampen. Die Crew bleibt an Bord. Das Schiff bleibt tabu.
Je länger die „Adrar“ festhängt, desto mehr Gerüchte verbreiten sich auf der Insel. Was hat die „Adrar“ geladen? Sind es wirklich kleine Maschinen, wie es offiziell heißt, oder doch Maschinengewehre für Abessinien, das heutige Äthiopien? Das Land wird doch gerade von Italien angegriffen, und die Diktatoren Mussolini und Hitler sollen sich gut verstehen.
Woche um Woche vergeht. In den Wintermonaten wird die Bergung nahezu unmöglich. Seeschlepper versuchen, das Schiff vom Strand zu ziehen, doch das misslingt. Was also nun?
Als die Reederei errechnet, dass die Kosten für Bergung und Unterhalt den Schrottpreis übertreffen, verkauft sie das Schiff an die Hamburger Bugsier-, Reederei- und Bergungsgesellschaft. Endlich, am 17. August, gelingt es Schleppern, den Frachter zurück in die Nordsee zu ziehen. Nach ziemlich genau zehn Monaten Strandleben verlässt nun die Crew die „Adrar“. Die Gerüchte über die Waffen an Bord: reiner Quatsch. Der Frachter hatte wohl nur Porzellan geladen.
Geblieben ist auf Sylt die Erinnerung an eine der geheimnisvollsten Strandungen der Inselgeschichte. Und ein Name im Volksmund. Der Standabschnitt von Kampen bis zur Buhne 31, gerne benutzt von FKK-Anhängern, heißt bis heute „Abessinien“.