Vor einigen Tagen bekam ich eine Email einer Organisation, die sich für Integration einsetzt. An sich eine gute Sache: Integration. Ich könne mit meiner Geschichte ein Beispiel abgeben, las ich. Das habe ich nicht ganz verstanden. Wieso bin ich ein Beispiel für Integration?
Ich bin echter Ostfriese. Ich bin geboren in Wittmund.
Mein Vater war als Agraringenieur Entwicklungshelfer in Kamerun, wo er meine Mama kennenlernte. Nach meiner Geburt gingen wir nach Westafrika, doch ich kam mit dem Klima in Yaoundé nicht klar. Mit der Hitze und der Schwüle.
Als „schwatten Ostfrees Jung“ auch kein Wunder. Ich wuchs auf dem Bauernhof meiner Großeltern auf.
Rassismus habe ich immer erlebt
Rassismus habe ich mein Leben lang erlebt. Die Leute waren früher nicht so offen wie heute. In meinem Dorf Asel (knapp fünfhundert Einwohner) habe ich nie etwas Negatives mitbekommen, nie. Bei uns in Asel City gibt es ein großes, gutes Miteinander. Die Probleme begannen erst, wenn ich in den Schulbus nach Wittmund stieg.
Die Bushaltestelle lag zwischen verschiedenen Schulgebäuden. „Kleines Negerlein“, „Bimbo“, so etwas hörte ich immer wieder von Schülern aus höheren Klassen. Ich wurde auch angespuckt oder geschubst. Schlägereien gab es immer mal.
Natürlich haben mich die Beleidigungen verletzt. Ich wollte es mir aber nie anmerken lassen. Ich wollte nicht in die Opferrolle geraten und habe mich gewehrt. Mit Worten und mit Fäusten. Ich habe mich immer gewehrt, ich ziehe nicht zurück. Meine Klasse und meine Freunde haben mir oft geholfen.
Mich schubst keiner mehr rum
Es wurde besser, als die erste Welle von Flüchtlingen aus dem Libanon nach Ostfriesland kam. Die Leute gewöhnten sich an Menschen mit anderer Hautfarbe. Ich fuhr, als ich älter wurde, lieber mit dem Rad zur Schule, später mit meinem Auto, das ich mir zusammenschraubte.
Dass ich in Diskotheken herumgeschubst wurde, ja, das kam vor. Ich war durchtrainiert, wog aber bei 1.76 Meter Körpergröße nur 60 Kilo. Mein bester Freund nahm mich mit zum Bodybuilding, es war nur eine Idee. Er hörte bald auf, ich machte Fortschritte, wenn ich die Hanteln nur ansah. Mein Gewicht verdoppelte sich. Zu Spitzenzeiten wog ich 130 Kilo. Armumfang: 56 Zentimeter. Heute schubst man mich nicht, sondern weicht mir eher aus. Ich gehe allerdings nicht mehr in Diskotheken, seit ich Kinder habe.
Rassismus im Alltag erlebe ich heute auch noch. Doch ich stehe meistens drüber. Ich will es manchmal gar nicht hören. Ich will mich nicht ärgern. Meine gute Laune ist mir wichtig, positiv zu sein und zu bleiben. Das ist mein Weg, damit umzugehen.
(aufgeschrieben von Stefan Kruecken, Ankerherz)