Jeden Samstag schreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh eine Kolumne für die Hamburger Morgenpost. „Auf den Straßen von Hamburg“ zeigt einen anderen Blick auf die Großstadt. Echte Straßengeschichten. Dominik war selbst elf Jahre lang immer wieder obdachlos. Diesmal geht es um seinen Freund Ameen. Und darum, welche Wege zwei Leben nehmen können.
Herbst 2015, viele Flüchtlinge kamen in die Stadt. Am Hauptbahnhof begegnete ich Ameen. Er kam mit dem Zug aus München. Wir unterhielten uns beim Rauchen und er erzählte mir seine Pläne. Dass er weiter nach Schweden fahren wollte. Ich verstand mich gut mit ihm und bot an, ihm die Stadt zu zeigen.
Wir fuhren zusammen an den Hafen. Inzwischen war es dunkel und wir saßen an der Stelle, von der ich seit Jahren auf die Elbe schaue. Ameen sah das alles zum ersten Mal. Es war ruhig, man hörte vor allem das dumpfe Dröhnen der Schiffsmotoren. Er erzählte von seinem Studium. In Syrien hatte er begonnen Schiffsmaschinenbau zu studieren. Das wollte er weitermachen. Er verliebte sich in diesen Hafen und sagte: „Ich will bleiben
Straßengeschichten aus Hamburg
Ich freute mich über diese Entscheidung. Seit August war ich in der Kleiderkammer und half in der Messehalle mit. Ich hatte dort schon viele gute Leute kennengelernt. Den Abend verbrachten wir bei einem Freund. Er überließ uns seine Wohnung und übernachtete bei seiner Freundin. Wir redeten die ganze Nacht. Es war, als ob wir uns schon ewig kennen. Wir schliefen zusammen in einem Bett.
Ich nahm Ameen mit in die Kleiderkammer. Dort und in der Wohnung verbrachten wir das Wochenende. Wir hatten eine gute Zeit. Ich machte mir Sorgen vor dem Montag. Dann hatte die Erstaufnahme wieder geöffnet, in der sich alle Geflüchteten registrieren mussten. Es war nicht sicher, dass man auch in der Stadt bleiben konnte. Der Königsteiner Schlüssel bestimmte, in welches Bundesland der Transfer ging.
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Einige Stunden später fuhr der Bus nach irgendwo. „Egal wo dieser Bus anhält, dort beginnt mein neues Leben“, sagt Ameen. Wir nahmen uns in die Arme und versprachen uns, in Kontakt zu bleiben. Am Nachmittag klingelte das Handy. Ameen. Der Bus hatte angehalten. In der Messehalle. Er saß drüben in Halle B6. Ich freute mich riesig. Noch am selben Tag schossen wir uns wieder in die Arme.
Die nächsten Monate passierte so viel. Wir teilten alles: Klamotten, Geld, Essen, Telefon. Wir gingen zusammen auf eine Reise. Jeden Abend vor dem Schlafen sagten wir uns, dass wir gesegnet sind und alles gut wird. Es wurde alles gut. In einer WG fing Ameen mit seiner Musik an. Ich schrieb Texte.
Dezember 2018. Ameen hat gerade seine erste Konzerttour mit „Shkoon“ beendet, mit einem ausverkauften Abschlusskonzert in Hamburg und einem Zusatzgig. Wir treffen uns in Berlin. Er hat einen Auftritt, ich eine Lesung. Danach reden wir über die letzten Jahre.
Wie schön, dass wir jetzt hier sind.