Amazon-Gründer Jeff Bezos heiratet und hat für drei Tage Venedig gemietet. Also mehrere historische Orte der Lagunenstadt, die eigentlich unzugänglich sind, auch die komplette Insel San Giorgio Maggiore gegenüber des Markusplatzes. Öffentlicher Raum gehört umsonst dazu, denn wegen der Prominenz einiger Partygäste – darunter Ivanka Trump, Tochter des US-Präsidenten – muss die Polizei viele Kanäle sperren und scharf kontrollieren.
Mehr als 90 Privatjets landen und starten in Venedig. An Bord sind jene Superstars, die bei der nächsten Verleihung eines Film- oder Musikpreises ganz einfühlsam die Wichtigkeit des Klimaschutzes hervorheben werden. Ich freue mich schon wahnsinnig auf die nächste Doku von Leonardo DiCaprio.
90 Privatjets in der Stadt der Klimakrise
Während sich Venedigs Bürgermeister tatsächlich über den symbolischen Ausverkauf der alten Stadt freut, weil es schließlich ein paar Millionen Euro Umsatz bringt, protestieren Aktivisten. Sie sorgen für zusätzliche PR und knackige Bilder. Ein moderner Fürst, ein König des Geldes, hält Hof. Nur seine Superyacht „Koru“ – die eine halbe Milliarde Euro gekostet hat – muss draußen ankern, aus Sicherheitsgründen.
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Was wir erleben, ist eine der schamlosesten Zurschaustellungen von Reichtum und Macht der letzten Jahre. Zwei Ringe auf einem großen Mittelfinger. Venedig, die alte Stadt der Oligarchen, ist dafür die perfekt gewählte Kulisse: Die Patrizier handelten einst mit Gewürzen, Edelmetallen, Salz und Sklaven. Moderne Tech-Fürsten wie Bezos lenken E-Commerce-Monopole, haben die Hoheit über digitale Netzwerke, globale Skalierbarkeit und zahlen so gut wie keine Steuern. Im Falle von Amazon waren es 2024 knapp 13,5 Prozent.
Mehr als 30 Millionen Euro dürfte die Sause in Venedig kosten, aber das ist Klimpergeld für Bezos, der vor Kurzem seine Angetraute und ein paar Freundinnen für ein paar Minuten ins All schießen ließ. Er besitzt etwa 223,5 Milliarden US-Dollar (laut „Forbes“). Dies entspricht dem Staatshaushalt von Griechenland oder anders gerechnet: Wenn man jeden Tag 100.000 € verdiente, jeden Tag, wäre man Ende November des Jahres 8150 so reich wie er.
Sonnendeck der Titanic
Vielleicht wird die Hochzeitsparty dennoch in die Geschichtsbücher eingehen, wenn Historiker eines Tages nach Ereignissen suchen, die einen gewissen Irrsinn veranschaulichen. Wie kaum ein anderer Ort ist das fragile Venedig, auf Holzpfählen gebaut und dem Untergang geweiht, vom Klimawandel bedroht. Und vom Massentourismus. Eine Studie zeigt, dass die reichsten 1 Prozent der Menschheit für 16 % (!) der CO2-Emissionen verantwortlich sind. Steht vermutlich nicht auf der Hochzeitstorte.
Das Ganze wirkt, als lade man noch schnell zum Cocktail aufs Sonnendeck der Titanic, mit frischem Eisberg im Glas. Herzlichen Glückwunsch!
Foto der Kolumne: Michele Lapini || Greenpeace