Ein milder Tag im Mai, das Mittelmeer ist ruhig, die Sicht klar. An Bord des neuen Kreuzfahrtschiffes Silver Ray stehen Passagiere an der Reling und bewundern die Felsen von Capri – die berühmten Faraglioni, über 90 Meter hoch, von Wind und Wellen über Jahrtausende geformt.
Ein unvergesslicher Moment. Und auch ein gefährlicher.
Denn die Silver Ray, 244 Meter langer Luxusliner der Reederei Silversea Cruises, kommt der Felsformation sehr nah. Nur rund 500 Meter trennen das Schiff vom Naturdenkmal – eine Entfernung, die laut italienischem Recht den vorgeschriebenen Mindestabstand unterschreitet.
Der Vorfall wirde dokumentiert, nicht nur von Urlaubern an Bord, sondern auch von Umweltschützern an Land. Einer filmt die Durchfahrt mit dem Smartphone. Die italienische Küstenwache überprüft das AIS-Signal des Schiffes – und bestätigt den Verstoß.
Folge ist ein (vergleichsweise lächerliches) Bußgeld in Höhe von knapp 1.000 Euro für die Reederei und eine offizielle Rüge für den Kapitän. Der Fall sorgt in Italien aber für Schlagzeilen und Diskussionen - und er wirft Fragen auf.
Erinnerungen an die Costa Concordia
Es gab schon einmal einen Kapitän, der für einen „Sail-by“ zu nah an die Küste ging – Francesco Schettino. Damals rammte die Costa Concordia vor der Insel Giglio einen Felsen, der nicht in den Karten verzeichnet war. 32 Menschen verloren ihr Leben. Das Schiff sank, teilweise. Eine Katastrophe, die weltweit für Entsetzen sorgte und in Italien zur Reform des Seerechts führte.
Offenbar hat nicht jeder aus diesem Drama gelernt...
Umweltschützer nutzen den Vorfall nun als erneuten Weckruf. Sie fordern, den Schutz rund um Capri zu verschärfen, die Region in ein umfassenderes Meeresschutzgebiet umzuwandeln und feste Bojen zu installieren, um große Schiffe fernzuhalten.