HANNES KURSCHAT IST DER INSELFOTOGRAF VON LANGEOOG. IM ANKERHERZ BLOG DOKUMENTIERT ER DEN ALLTAG DER INSEL UND ERZÄHLT KLEINE GESCHICHTEN DAZU. DIESMAL: Frei wie sie Seevögel
Im vergangenen Sommer durfte ich die Insel aus einer Perspektive betrachten, die nicht alltäglich ist: aus der Sicht der Seevögel.
Es war an einem warmen, sonnigen Tag im Mai. Ich stieg über die Tragfläche ins Cockpit des kleinen Ultraleichtflugzeug und schnallte mich an. Ich hatte keine Bedenken, denn ich war schon einige Male geflogen.
Keine fünf Minuten später sah das anders aus.
Der Pilot schloss die Kuppel und wir rollten auf die Startbahn. Die rund 100 PS des Boxermotors beschleunigten den Flieger ganz gut, und wir hoben ab. Schon nach den ersten Sekunden bemerkte ich, dass ein Ultraleichtflugzeug namens Dynamic WT9 keine Boeing 747 ist. Jede kleine Turbulenz ist direkt zu spüren. Meine Gesichtsfarbe änderte sich schlagartig und erinnerte an Erbsensuppe.
Die Freiheit der Seevögel
Nach einer kurzen Gewöhnungsphase auf dem Weg Richtung Sonne verdrängte ich schnell das grummelige Gefühl im Bauch. Denn es tat sich eine Perspektive auf, die nicht jeder von Langeoog kennt. Beim Überfliegen der Insel wurde mir bewusst, wie sich die Seevögel fühlen müssen. Welche Freiheit sie haben. So viele Arten leben oder rasten bei uns im Wattenmeer.
Langeoog dient für viele Zugvögel als Ruheraum auf ihrem Weg in den Süden, als auch in den Norden, wenn es dem Sommer entgegen geht. Ausgedehnte Ruhezonen, große Salzwiesen und kilometerlange Strände sind Orte, an denen sie Kraft tanken. Auch die einheimischen Seevögel genießen den Schutz der Dünen, um zu brüten oder Futter zu suchen. Auch aus diesem Grund ist das Betreten der Dünen auf Langeoog, wie auf jeder anderen Insel, nicht gestattet.
Die Sandbank vor Langeoog
Man kann aus der Luft sehr gut die vorgelagerte Sandbank erkennen. Diese wird gerne von Touristen zum Flanieren genutzt. Nicht selten kommt es jedoch vor, dass sich der ein oder andere Urlauber verschätzt. Plötzlich steigt die Flut. Und die Feuerwehr oder die Seenotretter müssen helfen. In ein paar Jahren, so rechnet man, wird sich der Priel zwischen Insel und Sandbank schließen. Dann entsteht ein breiter, weitläufiger Strandabschnitt im Westen von Langeoog.
Nachdem wir uns gut zwanzig Minuten diese traumhaften Bilder ansehen durften, drehten wir noch eine Runde über die Nachbarinseln Baltrum und Norderney. „Ready for Touchdown?“, fragte mich der Pilot. Als wir auf der Landepiste ausrollten, war ich erleichtert, denn mein Magen meldete sich. Andererseits war es schade, wieder auf dem Boden der Tatsachen zu sein.
Hannes Kurschat, Jahrgang 1981, kam aus dem Erzgebirge nach Langeoog. Er arbeitet für den Tourismusservice und ist der Inselfotograf. HIER findet Ihr seine Seite.