Manche hinterlassen eine Lücke, deren Größe man erst bemerkt, wenn sie nicht mehr da sind. Als ich vor Kurzem mal wieder auf Helgoland ankam, spazierte ich vom Fähranleger im Südhafen Richtung Inseldorf und wollte im alten Schuppen der Seenotretter reinschauen. Bei Edda.
Doch der Schuppen, der heute vor allem als kleines Museum genutzt wird, war geschlossen – und im Schaukasten davor entdeckte ich eine Traueranzeige. Edda Karhof, „Mutter der Seenotretter“ auf Helgoland, war mit 83 gestorben. Ich musste mich kurz setzen.
Hommage für Edda Karhof
Es sind Menschen wie Edda, die eine große Sache im Kleinen am Laufen halten. 58 Jahre (!) lang war sie ehrenamtlich für die Seenotretter tätig, seit jenem Monat, als sie nach einem Urlaub auf die Hochseeinsel zog und als Krankenschwester im Inselkrankenhaus ihren Dienst begann.
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Sie sorgte dafür, dass die Besatzungen der Seenotkreuzer – die oft auch Kranke und Verletzte ans Festland transportierten – medizinische Grundkenntnisse erhielten. Sie kümmerte sich darum, dass immer frische Medikamente an Bord der Kreuzer waren; sie bekochte die Crews und wusch deren Kleidung. In einer Publikation der DGzRS ist von der „guten Seele“ der Station die Rede.
"Katastrophentörtchen" wurden Legende
Ein seltsamer Zufall wollte es, dass die Retter immer dann, wenn Edda einen bestimmten Kuchen buk, zu einem Einsatz auf die Nordsee gerufen wurden. Die Station Helgoland im Zentrum der Deutschen Bucht – an der Schnittstelle der Routen großer Frachter, die nach Hamburg, Bremerhaven und Wilhelmshaven wollen - ist eine der wichtigsten im Netzwerk der DGzRS. Die Backwaren – ich weiß leider nicht, welche genau es waren – wurden fortan „Katastrophentörtchen“ genannt.
Edda Karhof war eine freundliche, zurückhaltende Insulanerin. „Moin“, sagte sie, wenn sie ihren Schuppen aufschloss. „Kaffee?“ Mehr als 400 Förderer gewann sie mit ihrer Art für die Seenotretter, die ihren Dienst allein aus privaten Zuwendungen finanzieren, nicht aus Steuern. Und sie leerte regelmäßig fast 90 „Sammelschiffchen“, die Spendendosen in Bootsform, die auf Rotem Felsen und Düne stehen.
Eine echte Heldin des Alltags
Noch mit mehr als 80 Jahren, als ihr das Gehen schwerer fiel, hörte Edda nicht auf mit dem Amt, das ihr eine Ehre war. Der Begriff der „Alltagshelden“ wird gerne strapaziert, es gibt sie in Gartencentern und beim Pizzalieferdienst und als Hausmeister-Service. Edda war so eine Heldin des Alltags.
Auf ihrer Todesanzeige steht: „Denk Dir ein Bild. Weites Meer. Ein Segelschiff setzt seine weißen Segel und gleitet hinaus in die See.“ Statt Blumen oder Kränzen bat sie um eine Spende für die Seenotretter.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Unsinkable Sam.“





























