Das Jahr begann für mich mit „Henk“, so hieß der Sturm, der den Pub auf einer Klippe am Beachy Head in England vibrieren ließ, als rattere die Londoner Tube unten durch. Es war unmöglich, die Tür aufzubekommen und der Taxifahrer war froh, als wir in Eastbourne zurück waren.
Ein Sturmjahr, mal wieder
So fingen die ersten Stunden in 2024 an, und es sollte ein Sinnbild werden für vieles, was danach kam. Ein Sturmjahr, wieder mal.
„Zwischen den Jahren“ nennt man die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr, und viele nutzen sie zum Aufräumen wie nach einer großen Party. Man räumt den Müll raus und versucht, die schönen Erinnerungen zu bewahren.
Was also bleibt von 2024, einem Jahr, in dem die sogenannte FDP, Jürgen Klopp und die Insel Borkum meisterhaft zeigten, wie man das eigene Image in Rekordtempo ruiniert: Kloppo, der Klaasohm vom Dosenverein.
Für mich war es ein Jahr der Abschiede von alten Freunden. Von Kapitän Jürgen Schwandt, der nach langer Krankheit einschlief und den ich sehr vermisse. Von Kapitän Peter Burhorn aus Bremerhaven, dem Segelschiffmann. Von Günther Mundt aus Bremen, dem alten Filou, und Johnnny Roggendorf aus Buxtehude, dem lustigsten unter den letzten.
Es war das Jahr der vergebenen Chancen, das mit Großdemonstrationen gegen die AfD begann und mit übelkeitserregenden Umfragewerten für diesen völkischen Kasperklub endet. Donald Trump sitzt nicht im Gefängnis, sondern zieht in wenigen Tagen zurück ins Weiße Haus ein. Während ich diese Geschichte schreibe, kommt die Meldung, dass er Grönland beansprucht und den Panama-Kanal „zurück“ haben will. Es werden vier lange, sehr lange Jahre.
Kriege. Putin. Xi. Trump. Rechtspopulisten. Wagenknechte. Klimakrise. Wir segeln alle weiter durch den Orkan und wer hofft, dass sich daran etwas ändert, der glaubt auch an die Wirkung einer Tütensuppe im Ozean.
Ich höre, dass immer mehr Menschen resignieren und die Tür hinter sich zu machen. Das mag verständlich, kann aber keine Lösung sein, für gar nichts. Außer, man möchte eines Tages mit der Überschrift aufwachen, dass Alice Weidel Kanzlerin ist und Björn Höcke der Innenminister.
Das Jahr endet so, wie es begann: mit einem Sturm. Nach Helgoland geht in den nächsten Tagen keine Fähre und auf der Nordsee sind enorme Wellenhöhen angesagt. Schiffe sind dennoch draußen und in den Häfen stehen Seenotretter bereit, im Falle eines Unglücks hinauszufahren, für andere Menschen in Not.
Von diesen Männern können wir uns eine Menge abschauen. Was Resilienz, was Zusammenhalt und Vertrauen angeht. Klingt nach einer Durchhalteparole? Ja bestimmt, ist es. Wir werden Durchhalteparolen dringend brauchen. Immerhin: Oasis kommen zurück.
Ich wünsche allen Lesern ein frohes neues Jahr 2025.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch über Häfen. HIER bestellen.