Wenn sogar Käpt’n Iglo zum Politikum wird. In Stefans Geschichten vom Meer geht es den Seemann aus der Tiefkühltruhe. Vor allem aber um die Frage: Was ist eigentlich mit der Debattenkultur los?
Was jetzt kommt, klingt schwer nach Satire, doch ist wahr. Trump-Anhängerin Marjorie Taylor Greene, Abgeordnete im Repräsentantenhaus der USA, verwechselte in dieser Woche die Geheimpolizei Adolfs Hitlers mit einer kalten spanischen Gemüsesuppe. Sie sprach mehrfach von Gazpacho und meinte die Gestapo.
Kann passieren.
Denn am äußerst rechten Rand hat man in der Regel nicht nur mit charakterlich fragwürdigen, sondern auch intellektuell limitierten Leuten zu tun. Ich erinnere mich gut daran, wie AfD-Politiker allen Ernstes behaupteten, dass Stürme bei uns im Norden durch Windräder ausgelöst werden.
Käpt’n Iglo nicht britisch genug?
Was sogar lustig sein könnte, wenn solche Figuren nicht versuchten, mit ihrer aggressiven Dummheit unsere Demokratien von innen auszuhöhlen. Die Debattenkultur ist inzwischen in einem Zustand angekommen, in dem jedes noch so kleine Detail zu einer Facette eines Kulturkampfes aufgeblasen wird. Sogar eine Kunstfigur wie Käpt’n Iglo kann in die Schusslinie geraten. Ja genau, Käpt’n Iglo, der aus der Tiefkühltruhe.
Ich las gestern folgende Meldung. Die Firma Iglo verklagte ein Konkurrenzunternehmen aus Cuxhaven, das Fischprodukte mit einer bärtigen Werbefigur samt Mütze vermarktet. Ein Plagiat? Die eigene Figur sei doch gar kein Seemann, verteidigte sich der Mitbewerber, deshalb handele es nicht um eine Kopie. Fand das Oberlandesgericht in München auch. Die Klage wurde abgelehnt.
Als ich mich mehr mit dem Thema „Käpt’n Iglo“ beschäftigte, stieß ich dann auf den Aufschrei echter Patrioten. Seit 1966 gibt es den Reklame-Käpt´n in Großbritannien, seit 1985 bei uns. Er segelt im Vereinten Königreich unter den Namen „Captain Birdseye“ übers Meer. Immer mal wechselt „Kapitän Vogelauge“ das Gesicht.
Ein Italiener auf der Brücke? My dear!
Zur Aufregung kam es, als ein Neuer aus Italien das Ruder übernahm. Schauspieler Riccardo Acerbi, Mitte 50, ersetzte den deutlich ältere Kapitänsdarsteller, beispielsweise einen Fischer. Die Porträtfotos zeigen auf einen Blick, was die Marketingabteilung umtrieb: Weniger Bart, weniger Pausbacke, weniger Plauze, mehr Energie.
Es dauerte nicht lange, bis sich Widerstand regte.
„Gibt es wirklich keinen Briten für die Rolle?“, hieß es in den Kommentaren. Es hagelte Hinweise auf den Brexit und „EU-Regularien“ und die drängende Frage: „Kann kein Engländer die Aufgabe übernehmen?“ Der Daily Mail war die Aufregung einen größeren Beitrag wert.
Die Besetzung einer Kunstfigur, die für panierten Tiefkühlfisch wirbt, als Inhalt einer politischen Debatte? Also Stuss in Panade. Na Mahlzeit.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.