Was bleibt von uns, wenn wir nicht mehr sind?
Vielleicht ein kleines Schild auf einer Bank mit Meerblick. Während eines Spaziergangs durch die Docks von North Shields, einem Hafen an der Mündung des Tyne in die Nordsee, fiel mir eine Plakette auf.
Erinnerung an Verstorbene
An diesem Abschnitt der Küste scheint es eine Tradition zu sein, Verstorbenen Orte der Rast zu widmen. Was für eine schöne Idee, an jemanden zu erinnern. Auf der Bank, direkt neben einem Denkmal für auf See gebliebene Fischer, steht eingraviert:
„Ken Purvis. Lausiger Fischer, furchtbarer Pokerspieler, aber Weltklasse-Freund. Großzügig, freundlich und so vermisst.“ Ich weiß nicht, wer Ken Purvis war. Vermutlich besaß er nicht den größten Kutter im Hafen, doch vieles in seinem Leben hatte er richtig gemacht.
In dieser Woche jährt sich der Tod von Kapitän Jürgen Schwandt. Ich hatte die Ehre, auf seiner Trauerfeier eine Rede zu halten, und es war schwierig. An manchen Stellen gerieten die Pausen länger, als ich es beabsichtigt hatte.
Es gibt Menschen, die hinterlassen gewaltige Lücken. Noch immer denke ich oft an Jürgen. Ich vermisse es, mich mit ihm im Museumshafen von Övelgönne auf einen Kaffee zu treffen, mit Blick auf die Hafenkräne. Seine brummigen Aussagen, seinen Humor, seinen Blick auf die Welt. Manche Menschen wirken wie eine Rückversicherung, dass es wichtig ist, einfach weiterzumachen.
Kapitän Schwandt fehlt
Die Anteilnahme an seinem Tod ist ein Zeichen, dass es nicht nur mir so geht. Tausende Leser drückten in den sozialen Netzwerken und in Mails und Nachrichten ihre Trauer aus und schrieben, was der alte Seemann und seine Standhaftigkeit in der Auseinandersetzung mit der AfD für sie bedeutete. Kapitän Schwandt hat gezeigt, was im besten Fall bleibt.
Wie uns Kapitäne durch den Sturm unserer Zeit bringen. HIER lesen!
Einige Wochen vor seinem Tod schickte er mir eine Mail mit dem Betreff „Längeres Moin“. Er werde demnächst sterben, und „Jung, du erbst übrigens auch was“. Die maritimen Dinge, die sein Esszimmer schmückten, habe ich in der Zwischenzeit abgeholt. Fotografien, ein alter Kompass, ein Tampen. Auch ein Schild von der Rezeption eines Stundenhotels in Norfolk, USA: „Street girls bringing Sailors into Hotel must pay in advance“, steht drauf. Es hat nun einen Ehrenplatz in unserem Ankerherz-Verlagssitz „Alter Tanzsaal“.
Vielleicht ist es auch an der Zeit, sich nach einer Bank mit einem Blick auf die Elbe umzusehen.