Bei diesen Temperaturen ist es für Obdachlose entscheidend, sich gegen die Kälte zu schützen. Ein Schlafsack rettet auf der Straße das Leben. Bundeswehrschlafsäcke sind die besten. Da lässt es sich sogar in Shorts bei minus 20 Grad warm schlafen. Aus Erfahrung kann ich sagen: Die wahrscheinlich beste Schlafposition bei extremer Kälte ist die Mumienposition. Die Arme eng am Körper, um die Nieren zu schützen. Die Hände übereinander auf den Bauch, um sie zu wärmen, die Decke bis zum Kinn, damit kein bisschen Kälte eindringen kann.
Die Kälte macht dich fertig
Ich erinnere mich gut an die kalten Nächte. An manchen Stellen meines Körpers bin ich warm, ich versuche, mich darauf zu konzentrieren. Die Zähne klappern, ich beiße so fest zu, dass mein Unterkiefer knirscht. Meine Füße: Eisklötze, die schmerzen, wenn ich meine Zehen bewege. Ich muss die Finger in den Mund stecken, weil ich das Gefühl habe, sie fallen mir gleich ab.
Ich friere bis in die Knochen, ich bin nass bis auf die Haut. Nur mein Bauch strahlt Wärme aus, darauf fokussiere ich mich. Der Regen peitscht mir ins Gesicht. Es tropft von der Kapuze und rinnt mein Gesicht hinab. Die roten Rücklichter der Autos spiegeln sich in den Pfützen. Es spritzt von der Straße auf den Gehweg, ich stehe im Wasser. Die Klamotten kleben an mir, der Wind fegt durch und findet die kleinste Lücke. Der Wind, der Endgegner, gibt mir den Rest.
Auf der Straße bin ich dauerkrank.
Die nassen Klamotten lassen sich nicht so schnell ausziehen. Ich habe vielleicht drei Wechselsachen dabei, die sind schnell verbraucht. Ich kann meine Klamotten irgendwann nicht mehr ausziehen, die anderen nirgends trocknen, wenn mal wieder Schietwetter in Hamburg ist.
Not macht wieder einmal erfinderisch. Ich fahre sehr oft mit dem Nachtbus. Hin und Her, von einem Ende der Stadt zum anderen und von einer Endstation zur nächsten. Am Fensterplatz, lose Zettel auf den Knien, schaue ich hinaus auf meine Stadt. Sie zieht schnell an mir vorbei, und ich schreibe auf, was ich beobachte.
Manchmal sitze ich nächtelang im McD am Hauptbahnhof. Früher schliefen Obdachlose auf den langen Holzbänken der Bahnhöfe, doch heute sind die Bänke aus Metall und haben Armtrenner. Es ist unmöglich, auf so einer Bank zu schlafen, aber für eine kurze Pause ist sie immer gut. Meistens warte ich auf eine Bahn, um wieder von einer Endstation zur nächsten zu fahren.
Es ist meine Flucht vor der Kälte und die Sicherheit, für ein paar Stunden nicht zu frieren.
Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Gerade erschien sein Buch darüber: Unter Palmen aus Stahl, überall im Handel und versandkostenfrei hier bestellen.