Der brennende Autofrachter „Fremantle Highway“ wurde erfolgreich an einen provisorischen Ankerplatz vor der Insel Schiermonnikoog geschleppt. Warum genau dorthin? Wie geht es weiter? Und wie kam es überhaupt zum Unglück? Wir beantworten einige der meistgestellten Fragen von unserer Facebook-Seite. Quellen dafür sind u.a. die niederländische Kustwacht, die Rijkswaterstaat, das Havariekommando in Cuxhaven, das Bundesverkehrsministerium sowie Interviews mit befreundeten Nautikern und Experten.
Was hat das Feuer auf der „Fremantle Highway“ verursacht?
Zu dieser Frage gibt es zahlreiche Spekulationen in den Sozialen Netzwerken. Vielfach wird spekuliert, dass angeblich der Akku eines E-Autos den Brand verursacht haben soll. Manche Kommentatoren versuchen, das Unglück für politische Zwecke zu missbrauchen. Die seltsame und offen gesagt dümmliche „Argumentationskette“ lautet: E-Autos sind Müll und die Grünen sind „Schuld“.
Ein niederländischer TV-Sender hatte einen Funkspruch veröffentlicht, in dem ein Crewmitglied davon sprechen soll, dass eine Batterie das Feuer verursacht hat. Es ist auch durchaus möglich, dass dies so ist. Doch Fakt ist: Die Ursache des Feuers ist bislang unbekannt. Darauf weist auch die Kustwacht in jeder Stellungnahme hin. Der Auszug des Funkspruchs ist Ausschnitt aus einer Operation, die in der Nacht, in der das Feuer ausbrach, stundenlang dauerte. In der Nacht starb ein Seemann. 22 weitere wurden verletzte. Sie befinden sich in Krankenhäusern.
Generell ist zu sagen, dass E-Autos nicht häufiger in Brand geraten als Verbrenner. Nach Angaben des US-amerikanischen Versicherungsunternehmens AutoinsuranceEZ brennen beispielsweise etwa 25 E-Autos pro 100.000 verkaufter Einheiten. Bei Verbrennern sind es 1.530 pro 100.000. Die deutsche Prüfgesellschaft DEKRA bestätigt diese Einschätzung.
Allerdings ist das Löschen von brennenden Lithium-Ionen-Akkus schwieriger. Auf Schiffen werden Brände in der Regel durch das Fluten mit C02 gelöscht. Dies ist im Falle von E-Autos sinnlos. Lithium-Ionen-Akkus produzierten beim Brennen selbst Sauerstoff, wie Uwe-Peter Schieder, Kapitän und Experte des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft, bestätigt.
Erst die Untersuchung des Unglücks durch ein Seeamt wird zweifelsfrei klären, wie es zum Unglück kam. Alles, was bis dahin geäußert wird, ist Spekulation. Die leider von bestimmten Gruppen aus politischen Motiven forciert wird.
Wieso wurde die „Fremantle Highway“ vor Schiermonnikoog geschleppt?
Der Unglücksort vor der Insel Ameland lag zwischen zwei vielbefahrenen Schifffahrtsstraßen. Nach Angaben der Behörden ist der provisorische Liegeplatz vor Schiermonnikoog aus Gründen von Strömung und Windschutz sicherer. Experten haben diesen Platz ausgewählt.
Zwei Schlepper schleppten die „Fremantle Highway“ auf den provisorischen Standort. Sobald wie möglich wird ein Team aus Bergungsexperten an Bord gehen, um eine Inspektion durchzuführen. Der Fremantle Highway bleibt mit den Schleppern verbunden. Auch das Ölbekämpfungsschiff Arca bleibt in der Nähe.
Wie geht es danach weiter?
Die niederländischen Behörden gehen Schritt für Schritt vor. Ziel soll es sein, die „Fremantle Highway“ am Ende der Berungsoperation in einen Hafen zu schleppen. Welcher Hafen das sein kann, ist noch nicht bekannt. Klar ist, dass das Feuer ausgebrannt sein muss. Niemand schleppt ein brennendes Schiff von 200 Metern Länge in einen Hafen – das ist viel zu gefährlich. Als Häfen kommen Eemshaven, aber möglichweise auch Emden oder Wilhelmshaven in Frage.
Wie kam es zu unterschiedlichen Angaben in Sachen Bestimmungshafen und Ladung?
In ersten Berichten war davon die Rede, dass die „Fremantle Highway“ Port Said anlaufen wollte. Dies ist der „Port of Call“, der in allen Ortungsapps hinterlegt war. Port Said liegt am Suezkanal und ist eine Zwischenstation auf der Route nach Asien – Zielhafen des Autofrachters war Singapur. Es handelt sich daher nicht um einen Widerspruch.
Was die Zahl der E-Autos angeht, nannte die Kustwacht in allen Mitteilungen die Zahl 25. Die japanische Reederei aber nennt auf Medienanfrage 500. Wie es zu dieser Diskrepanz kam, die sich auch in der Ladeliste widerspiegeln müsste, wird Bestandteil der Seeamtsuntersuchung sein. Die Behörden dürften kaum begeistert sein.
Welche Gefahrenstoffe sind an Bord? Welche Folgen hätte eine Freisetzung für Natur?
An Bord der „Fremantle Highway“ befinden sich ca. 1.800 Tonnen Schweröl (VLSFO, „Very Low Sulphur Fuel Oil“) und weitere 200 Tonnen Marinediesel (LSMGO, „Low-Sulphur Marine Gasoil“). Hinzukommen mögliche Tankinhalte, umweltbelastende und toxische Materialien der transportierten Fahrzeuge sowie Verbrennungsrückstände und Löschwasser.
Aktuelle Berechnungsmodelle zeigen, dass Deutschlands Küste im Falle eines Ölaustritts nicht betroffen wäre. Zumindest nach den derzeit vorherrschenden Wind- und Strömungsverhältnissen. „Grundsätzlich besteht auch für den Nationalpark Wattenmeer auf deutscher Seite die Gefahr einer Verschmutzung mit Folgen für Flora und Fauna“, schreibt das Bundesverkehrsministerium.
Das Weltnaturerbe Wattenmeer ist besonders empfindlich. Es ist Fortpflanzungs- und Lebensraum zum Beispiel für Seehunde, Kegelrobben und Schweinswale, aber auch Rastplatz für Millionen Zugvögel. Der Nationalpark Wattenmeer erstreckt sich über die Länder Niedersachen, Hamburg und Schleswig-Holstein.
Wie riskant ist die Lage?
Zwei Schlepper hatten die „Fremantle Highway“ an den Haken genommen. Dafür waren Bergungsexperten mehrfach an Bord des brennenden Frachters – was enormes Mut und Können erfordert. Fachleute des Bergungsunternehmens Smit Salvage sind im Einsatz. Das niederländische Unternehmen gilt als eine Art „ADAC der Meere“. Wo immer es weltweit ein Problem gibt, sind diese Experten zur Stelle. Unter anderem bekamen sie den Großcontainerfrachter „Ever Given“ im Suezkanal wieder flott.
Die Lage hat sich etwas entspannt, ist aber nach wie vor gefährlich. Zwar beobachten die Experten genau, was sich auf dem Schiff tut. Doch die „Fremantle Highway“ ist sichtbar schwer angeschlagen und hat leichte Schlagseite nach Steuerbord. Hoffnung macht, dass das Feuer nachgelassen hat und die Rauchentwicklung deutlich abnahm.