Knapp 15.000 Tote, zerstörte Häuser und Mühlen, eine verlorene Ernte – die Burchardiflut vom 11. auf den 12. Oktober 1634 brachte aber nicht nur gewaltiges Leid über Nordfriesland. Sie veränderte auch den Küstenverlauf im Norden für immer.
Als sich am Nachmittag des 11. Oktober 1634 der Norden verfinsterte, wussten die Menschen im Norden, dass ein schwerer Sturm aufziehen würde. Sie holten vorsichtshalber das Vieh herein, wo sie denn konnten, und wappneten sich vor dem, was kommen sollte.
Doch entgegenzusetzen hatten sie der furchtbaren Sturmflut nichts. Die „Grote Mandränke“, das „Große Ertrinken“ kostete bis zu 15.000 Küstenbewohnern in Nordfriesland das Leben. Und sie veränderte für immer die Küstenlinie: große Teile der Insel Alt-Nordstrand versanken für immer im Meer. Benannt wurde die Sturmflut, wie damals üblich, nach einem Heiligen: dem Bischof Burkhard von Würzburg, dessen Namenstag der 14. Oktober ist: Burchardiflut.
Ein Augenzeugenbericht der Burchardiflut
Es gibt einen Augenzeugenbericht, der schildert, wie sich die Lage entwickelte. Er stammt von Jan Adriaanszoon Leeghtwater, einem niederländischen Wasserbauingenieur. Sein Auftrag war es, in der Dagebüller Bucht dem Meer Land abzugewinnen. Sie flüchteten aus ihrem Haus, über den Deich, an dessen Krone bereits die Nordsee stand, in ein weiter höher gelegenes Herrenhaus. Dort harrten bereits andere Flüchtlinge aus. Er schreibt:
„Der wehte platt gegen das Herrenhaus, so hart und steif, wie ich’s in meinem Leben nicht gesehen habe. An einer starken Tür, die an der Westseite stand, sprangen die Riegel aus dem Pfosten von den Meereswogen, so daß das Wasser das Feuer auslöschte und so hoch auf den Flur kam, daß es über meine Kniestiefel hinweglief, ungefähr 13 Fuß höher als das Maifeld des alten Landes […] Am Nordende des Herrenhauses, welches dicht am Seetief stand, spülte die Erde unter dem Haus weg […]
Infolgedessen barst das Haus, die Diele und der Boden auseinander […] Es schien nicht anders als solle das Herrenhaus mit allen, die darin waren, vom Deich abspülen. Des Morgens […] da waren alle Zelte und Hütten weggespült, die auf dem ganzen Werk waren, sechs- oder siebenunddreißig an der Zahl, mit allen Menschen, die darin waren. […] Große Seeschiffe waren auf dem hohen Deich stehengeblieben, wie ich selber gesehen habe.
Mehrere Schiffe standen in Husum auf der hohen Straße. Ich bin auch den Strand allda geritten, da hab ich wunderliche Dinge gesehen, viele verschiedene tote Tiere, Balken von Häusern, zertrümmerte Wagen und eine ganze Menge Holz, Heu, Stroh und Stoppeln. Auch habe ich dabei so manche Menschen gesehen, die ertrunken waren.
Auf der Insel Strand brachen in dieser Nacht an 44 Stellen die Deiche. Mehr als 6120 Menschen, ein Drittel der Inselbevölkerung, verlor das Leben. 1300 Häuser und 30 Mühlen wurden zerstört – und die komplette Ernte, was im Folgejahr für erhebliche Probleme sorgen würde. Für die Insel Strand und die Halligen Nübbel und Nieland bedeutete die Burchardiflut das Ende.
Das Ende der Insel Strand
Die Insel Strand wurde buchstäblich zerrissen. Weite Flächen lagen unterhalb des Meeresspiegel, sodass die Nordsee auch nach der Flut immer weiter nachfloss und nicht wieder ablief. Die Gezeiten nahmen Stück für Stück die Deiche weg. So entstanden die Inseln Nordstrand und Pellworm und die Halligen Südfall und Nordstrandischmoor.
Die Menschen im Norden hatten noch viele Jahre mit den Folgen der Burchardiflut zu kämpfen. Sie wurde vielerorts an besondere Strafe Gottes interpretiert.
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