Erstes Licht über Liverpool, der Tag erwacht über dem Royal Albert Dock. In den Morgenstunden, bevor die Touristen kommen, hat dieser Ort eine ganz eigene Magie. Die raue Poesie von Liverpool zeigt sich nirgendwo so gut.
Das Royal Albert Dock am frühen Morgen: Der Moment ist fast kitschig schön. Auf dem Mersey tutet eine Fähre. Ein Doppeldeckerbus hat auf der anderen Seite des Docks geparkt. Die Umrisse des Royal Liver Building und des Port of Liverpool Building spiegeln sich auf dem Wasser. Die Zeit steht still, noch keine Besucher sind unterwegs, und wenn man unter den roten Arkaden schlendert, vorbei an den historischen Schiffen, verliebt man sich schon wieder in Liverpool.
Morgen im Royal Albert Dock
Dies hier war mal der modernste Hafen der Welt. 1846 eröffnet, mit einem System, das damals bahnbrechend war: Die Ladung der Schiff konnte direkt in die Lagerhäuser verladen werden. Im Krieg wurde der Gebäudekomplex von den Angriffen Nazi-Deutschlands getroffen, vor allem beim Blitz von 1941, wie die gesamte Stadt. Nach dem Krieg begannen Jahrzehnte des Verfalls, denn die Seefahrt veränderte sich. Heute kämen vielleicht noch die Beiboote der Großfrachter in das Dock. 1972 schloss man das Dock und öffnete es erst zehn Jahre später wieder.
Heute ist das Albert Dock, Teil des UNESCO Weltkulturerbes am Hafen, eine der Attraktionen der Stadt. Bars, Restaurants und Cafés sind hier zu Hause, ein Beatles-Museum, was sonst, Galerien und die Tate Modern. Es ist ein Beispiel, wie man ein altes Gebäude modern gestalten kann, ohne seine Seele zu verkaufen. Es ist nicht zu schick hier, und das passt zu einer Stadt, die im Laufe ihrer Geschichte blühte und auch auf die Fresse bekam. Einst war Liverpool eine der blühenden Metropolen des Empire, doch dann verkam es zum Armenhaus Europas. Die Werften schlossen, viele Fabriken auch, als Englands Industrie eine katastrophale Krise durchlitt. In einigen Vierteln betrug die Arbeitslosigkeit 90 Prozent.
Gewalt, Drogen, Hoffnungslosigkeit bestimmten besonders in den 1980er Jahren das Bild. Von einst 800.000 Liverpudlians waren 1985 noch 460.000 übrig. „Nur die Hoffnungslosen bleiben“, stand über den Beiträgen, die in den Slums spielten. Britische Sozialwissenschaftler haben für den Niedergang den Begriff „Urbanizid“ geschaffen, der gewaltsame Tod einer großen Stadt. Die Folgen sind noch heute zu sehen, wenn man in Stadtteilen wie Anfield oder Toxteth unterwegs ist. Doch seit den 1990er Jahren hat sich die Wirtschaft erholt. Die Stadt lebt von Dienstleistungen, Kultur und dem Tourismus. Oder kurz gesagt: Liverpool, das meint Fußball, Beatles und Kunst.
„You´ll never walk alone.“
Spaziert man etwas weiter und aus dem Royal Albert Dock hinaus, vorbei am alten Haus der Lotsen, kommt man zum Denkmal, das die Stadt den berühmten Söhnen gesetzt hat. Die Beatles Statue zeigt die vier Musiker so lebensecht, als seien sie im Gehen eingefroren. Ein andere Skulptur feiert andere Bands der Stadt, unter anderem: „A Flock of Seagulls“, „The La´s“, „China Crisis“. Die Bedeutung der Stadt für die Geschichte der Rockmusik ist nur vergleichbar mit der Magie, die sie mit dem FC Liverpool und dem FC Everton dem Fußball gibt. Wir schlendern weiter und steigen auf die Fähre über den Mersey.
Doch davon erzählen wir ein anderes Mal.
Nichts bringt die Melancholie und den Trotz der Hafenstadt auf den Punkt wie ein Song, der Hymne des FC Liverpool wurde.
You´ll never walk alone, von Gerry & the Pacemakers
When you walk through a storm
Hold your head up high
And don’t be afraid of the darkAt the end of a storm
There’s a golden sky
And the sweet silver song of a larkWalk on through the wind
Walk on through the rain
Though your dreams be tossed and blown
Walk on, walk on
With hope in your heart
And you’ll never walk alone