Seemannsdiakon Fiete Sturm, Leiter der Seemannsmission Hamburg-Altona, schreibt jeden Donnerstag eine Kolumne für Ankerherz. Dieses Mal geht es um den Glauben, der ihm Halt bietet in einer schwierigen Zeit.
Ein Thema, auf das ich bisher eher am Rande zu sprechen kam, ist der Glaube. Er ist mit der Seefahrt seit jeher eng verwoben. Er spielt auch heute noch, in Zeiten, in denen ich mich selbst oft dafür rechtfertigen muss, gläubig zu sein, eine wichtige Rolle für viele Seeleute.
Dabei bin ich selbst sicherlich nicht der allerfrommste Diakon. Ich genieße das Leben. Würde man Gottesdienstbesuche mit Punkten bewerten, hätte ich bestimmt nicht den „Highscore“. Ich hadere oft selbst mit mir und meinem Glaubensbild. Ich hinterfrage und zweifle. Schaue kritisch auf meine eigene Kirche und bin auch ein klarer Verfechter des „Historisch-kritischen Ansatzes“, wenn es um die Schriften der Bibel geht.
Wir schaffen es nur gemeinsam
Einfach nur so zu glauben, das fällt mir oft schwer. Ich versuche, die überlieferten Worte eines Jesus von Nazareth so gut es geht zu interpretieren und zu verstehen, was sie wohl für uns heute bedeuten mögen. Denn sie einfach 1:1 auf heute zu übertragen – das ist oft nicht einfach oder sogar irreführend.
Aber vereinfacht gesagt, versuche ich mir am Beispiel der Evangelien immer bewusst zu machen, dass wir nur als Gemeinschaft die Herausforderungen unserer Zeit meistern können. Dass es um Solidarität geht und darum füreinander (und insbesondere die armen, schwachen und ausgestoßenen) einzustehen.
Glaube als Halt und Geborgenheit
Darum, ganz platt gesagt und man verziehe mir die Wortwahl: Nicht nur auf sich zu schauen und kein Arschloch zu sein.
Krisen und Katastrophen, wie z.B. die Corona-Pandemie, bringen das Beste und das Schlimmste in uns hervor. Und wenn vieles unsicher erscheint, was wir für sicher erachtet haben, dann kann der Glaube uns Halt und Geborgenheit geben.
So geht es vielen Seeleuten heute noch immer. Egal, wie groß die Schiffe werden. Egal, wie ausgereift die Technik zu sein scheint. Und egal, wie viele Fahrten man schon hinter sich hat. Wenn ein Schiff in einen heftigen Sturm gerät, dann ist es Spielball der Natur. Dann können Stahltrossen reißen, Container verrutschen und ins Meer kippen und Menschen verletzt oder sogar über Bord gespült werden. Es wundert mich nicht, dass mir immer wieder Seeleute erzählen, dass ihnen in diesen Momenten ein Stoßgebet über die Lippen kommt.
Ein Zuhause für die Seeleute
Oder das sie Gott ganz einfach in einer stillen Stunde darum bitten, dass er seine Hand über ihre Familie hält, die er viele Monate nicht sieht.
Ähnlich wie der Wirt aus dem Gleichnis vom „barmherzigen Samariter“ versuchen meine Kollegen und ich unseren Seeleuten einen gastlichen Ort zu bieten, an dem sie ihr müdes Haupt ruhen lassen können. An dem sie nicht wie ein Zahnrad in der großen Maschine funktionieren müssen, sondern einfach mal wieder Mensch sein dürfen und entspannen können. Und auch wenn ich es gern würde: Es ist gar nicht immer notwendig, dass ich genau verstehe, wie Glaube funktioniert. Dann sehe ich, wie ein kleiner Segen, ein kurzes Gebet und eine aufgelegte Hand wieder viel Ruhe in ein angespanntes Gemüt bringen.
Von Seeleuten lernen
Es hilft auch mir selbst. Ich bin zwar ein kritischer und neugieriger Geist, aber ab und zu darf ich es dann selbst zulassen, die Sorgen und Zweifel hinter mir zu lassen und mich einfach geborgen und behütet zu fühlen. Hier von den Seeleuten lernen zu dürfen, betrachte ich als großes Geschenk.
In diesem Sinne:
Seid gesegnet und behütet in diesen schweren Zeiten. Und seid füreinander und andere da, wenn sie euch brauchen!