Seemannsdiakon Sturm: Unsere Seeleute von Kiribati

Seemannsdiakon Sturm: Unsere Seeleute von Kiribati - Ankerherz Verlag

Unsere Seeleute von Kiribati. Jede Woche schreibt Fiete Sturm, der Seemannsdiakon vom Hamburg-Altona, eine Kolumne für den Ankerherz Blog. Diesmal geht es um gestrandete Seeleute in Hamburg.

Es gibt da im Pazifik den Inselstaat Kiribati, [ˈkiʁibas] ausgesprochen. Er besteht aus 32 Atollen in drei Inselgruppen sowie der Insel Banaba. Knapp 110.000 Einwohner leben in einer Umgebung, die den gängigen Vorstellungen von exotischen Südseeinseln entspricht. Weiße Strände, Palmen, türkisfarbenes Meer. Die Temperatur liegt das gesamte Jahr konstant zwischen 25 und 31°C.

Bewohnt wird Kiribati vor allem von Mikronesiern. Zumeist Katholiken und Protestanten, was schon auf die Kolonialisierungsgeschichte hindeutet. Heute ist der Inselstaat eine unabhängige Demokratie. Wirtschaftlich spielen vor allem die Fischerei, Kokosnuss-Anbau, Tourismus und die kommerzielle Seefahrt eine wichtige Rollen.

Die Probleme von Kiribati

So paradisisch dieser Fleck mitten im weiten Meer auch sein mag, so gibt es doch auch Probleme. Zum Beispiel die Tatsache, dass man mittlerweile davon ausgeht, dass um 2060 herum der größte Teil Kiribatis dem steigenden Meeresspiegel zum Opfer gefallen sein wird. Kaum jemand ist von den Folgen des Klimawandels so sehr betroffen.

Ein weiteres Problem hat sich für viele Kiribatis mit Anfang der weltweiten Corona-Pandemie ergeben. Gar nicht so sehr auf den Inseln selbst. Denn man hat schnell und entschlossen reagiert und sich abgeschottet. Es gehen so gut wie keine Flüge mehr von Fidschi und wer doch noch ankommt, muss lange in Quarantäne. (Anmerkung: Über die schlimme Lage der Seeleute gibt es hier einen Blogbeitrag).

Dieser Umstand betrifft nun auch aktuell meine Kollegen und mich hier, im kalt-nassen Hamburg. Seit Oktober haben wir in unserem Seemannsheim an der Elbe mittlerweile gut 40 kiribarische Seeleute aufgenommen. Bis Dezember könnten es insgesamt über 100 von verschiedenen Reedereien werden. Zuviele für unser Haus, dass nur knapp 70 Betten hat. Darum wurde von einer Reederei mittlerweile eine Jugendherberge angemietet, in der wir auch weiter praktische und seelsorgerische Unterstützung bieten. Eine Aufgabe, die neben dem normalen Betrieb den koordinierten Einsatz der Hamburger Seemannsmissionen und freiwilliger Helfer erfordert.

20 Monate von der Heimat getrennt

Viele Seeleute sind mittlerweile seit fast 20 Monaten von ihrer Heimat und ihren Familien getrennt und konnten pandemiebedingt nicht mal mehr in den Häfen an Land gehen. Ob und wann sie endlich nach Hause können, das steht noch nicht fest. Zwar bemühen sich die Reeder aktiv um die Organisation von Flügen, aber es ist schwierig. Die Quarantäneeinrichtungen auf Fidschi und Kiribati sind voll und dementsprechend lange dauert es, bis man zurück kommen kann.

Neben dem Heimweh, der Sorge um die Familie und anderen psychischen Belastungen gibt es auch ganz pragmatische Probleme. So fehlt es z.T. an winterfester Kleidung und anderen Dingen des täglichen Lebens. Hier versuchen wir mit Spendenmitteln und befreundeten, gemeinnützigen Organisationen wie z.B. „Hanseatic Help“ so gut es geht Abhilfe zu schaffen.

Ausflüge gegen den Schwermut

Um der Schwermut etwas vorzubeugen, versuchen wir kleinere Ausflüge und andere Freizeitbeschäftigungen zu organisieren. Aber da uns auch hier das Virus das Leben alles anderes als einfach macht, müssen wir uns auf kleinere Ausflüge mit den einzelnen Zimmergemeinschaften beschränken. Im Oktober konnten wir immerhin noch zwei Touren mit einer gesamten Crew organisieren. Beispielsweise in den WildparkSchwarze Berge. Es war eine Freude den gestandenen Seeleuten anzusehen, wie sehr sie es genossen haben den, ihnen mitunter unbekannten und exotischen, Tieren zu begegnen.

Auch wenn es komisch klingt: Ich hoffe sehr, dass wir nach Weihnachten die ersten Crews wieder verabschieden dürfen. Es rückt doch die Perspektive wieder etwas gerade. Ich selbst muss „nur“ soziale Kontakte vermeiden, auf Abstand achten und eine Maske tragen. Und so schwer das zwischendurch auch fällt, so bin ich doch in meiner Heimat. Ich bin recht gut versorgt und kann mir liebe Menschen, vereinzelt und mit der nötigen Vorsicht, sehen.

Unsere Seeleute hingegen hängen zwischen allen Stühlen und wissen oft nicht wie es weiter geht. Darum fällt es mir dann doch etwas leichter den Lockdown zu akzeptieren. Und ich hoffe, dass es nicht mehr zu lange dauert, bis „unsere“ Kiribatis wieder ihre Familien in die Arme nehmen können.

  

Aus dem Hamburger Hafen,

Euer Fiete Sturm

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