„Spiegel der Welt“ – das ist der Name einer Ausstellung in Hamburg, die sich jeder mit einem maritimen Herz anschauen sollte. Eine Art „Best of“ der europäischen Marinemalerei auf einem Deck im Speicher des Internationalen Maritimen Museums in der Hafencity.
„Spiegel der Welt“, das bedeutet ein Novum für das Internationale Maritime Museum, in dem es nicht nur unglaublich viel zu entdecken gibt, sondern dank der Historie als Speicher immer angenehm riecht. Der Kaispeicher B ist eine Schatzkiste mit neun Decks, die wir als Ankerherz bestens kennen. Unsere Kinderbuchfigur „Käpt´n Kuddel“ führt kleine Besucher mit einer Schatzsuche durch die Ausstellung.
Marinemalerei in heimeliger Höhle
Eines gab es aber noch nie: eine reine Gemälde-Schau. Mit „Spiegel der Welt“ hat Patrick Rivière, seit zwei Jahren Kurator des Hauses, Seestücke aus drei Jahrhunderten zusammengestellt, beginnend mit dem 17. Jahrhundert. Für die Präsentation der 50 Gemälde wurde das erste Deck abgedunkelt und in dunklen Grautönen gestrichen. Eine Veränderung, die dem Rundweg die heimelige Anmutung einer begehbaren Höhle gibt. Spotlights strahlen die Gemälde an und schaffen damit wunderbare Tunnelblicke.
Für die Ausstellung sollte man sich Zeit gönnen. Der Betrachter taucht ab in die Welt der Wellen, der Großsegler und der Dramen auf See. Vor allem, wenn mal wenig los ist, entfaltet die Ausstellung eine beinahe meditative Wirkung. Werke aus den Niederlanden, Frankreich, England, Deutschland und Dänemark sind zu sehen, darunter einige private Leihgaben.
Das „goldene Zeitalter“
Herzstück der Ausstellung bildet die Marinemalerei der Niederlande im „goldenen Zeitalter“, jener Zeit im 17. Jahrhundert, als Amsterdam die reichste und innovativste Stadt Europas war. Die neu entstandene Mittelschicht hatte Geld, das sie erstmals auch in Kunst investierte. Es brauchte keine Mäzene aus dem Adelsstand mehr. Neben Vieh und Gemüse wurden auf Märkten auch Gemälde angeboten. Knapp 70.000 entstanden jährlich, eine unglaubliche Zahl.
Die Niederlande wurden zum Zentrum der Marinemalerei. Denn der Wohlstand kam durch den Handel in der weltoffenen, innovativen Metropole Amsterdam. 1650 fuhren mehr Schiffe unter niederländischer Flagge als unter französischer und englischer zusammen. Die Ausstellung zeigt u.a. Werke von Jan Porcellis oder Willem Gruyter dem Jüngeren. Besonders beeindruckend: Reinier Nooms „Fischer ziehen ein Netz ein“ (1657).
Im 18. Jahrhundert verloren die Niederlande ihre Vormachtstellung auf den Meeren an das British Empire – und dies schlug sich auch in der Marinemalerei wider. Ein Highlight im „Spiegel der Welt“ ist ein echter Turner: „Vor Margate“ (1840), eine Bleistift- und Kreidezeichnung auf körnigem blauen Papier, ist die Leihgabe einer Hamburger Privatsammlung. Die Zeichnung des Joseph Mallord William Turner zeigt ein Schiff, das absichtlich auf den Strand gesetzt wurde, um die Ladung zu retten. Turner, Großbritanniens wohl berühmtester Marinemaler, besuchte Margate mehrfach und lebte in einem Haus am Hafen.
Mein Favorit Anton Melby
Mein Favorit der Ausstellung aber bleibt der dänische Maler Anton Melbye. Der gelernter Schiffbauer ist ein Meister dramatischer Farbtöne, der dem Meer immer auch eine bedrohliche Note mitgibt. Zu bewundern im „Gewitter über dem Meer“ (1847). Das Gemälde zeigt einen Segler, der im Sturm übel verprügelt wurde. Entmastet treibt das Schiff in hoher Dünung unter einem bedrohlichen Himmel. Der Mensch als Spielball des Ozeans und des Windes. Doch Hoffnung ist bereits in Sicht – am Horizont sind die Segel eines anderen Schiffes zu erkennen.