Blinde Passagiere auf dem Ruder. In Stefans Geschichte vom Meer geht es um drei Geflohene und ihre unglaubliche, aber auch bedrückende Reise.
Das Foto der spanischen Küstenwache zeigt drei Blinde Passagiere, die auf dem Ruder eines großen Schiffes kauern. Drei Männer, die vor dem Hafen von Las Palmas auf den Kanaren entdeckt wurden. Nach einer Reise, die in Lagos begann, 2700 Seemeilen entfernt in Nigeria.
Das sind 5000 Kilometer über den offenen Atlantik.
Elf Tage lang hockten die Männer nach Angaben der Küstenwache unter dem Rumpf des 183 Meter langen Öltankers „Alithini II“. Auf weniger als anderthalb Quadratmetern kaltem Stahl, nur knapp anderthalb Metern über der Wasserlinie.
Blinde Passagiere auf dem Ruder
Eine große Welle hätte ihren Tod bedeutet. Einen Sturm oder überhaupt schlechtes Wetter hätten sie unmöglich überleben können. Sie mussten fürchten, während des Schlafs in den Ozean zu fallen und dann entweder von der Schraube erfasst zu werden oder zu ertrinken. Sie konnten sich nicht mal hinlegen auf dem engen Raum.
Wie konnten sie die Strapazen bloß überleben? Und wie mag es für die Männer gewesen sein, in jenen zehn Nächten, auf diesem schmalen Ruder des Tankers, mitten auf dem Atlantik? Sprachen sie über ihren Tod? Wie hielten sie das nur aus?
Ich frage mich: Wie verzweifelt sind Menschen, dass sie eine solche Reise riskieren?
Nach ihrer Entdeckung kamen sie unterkühlt und dehydriert ins Krankenhaus der Insel. Wie es mit ihnen weitergeht und ob sie Asyl erhalten, ist ungewiss. Es ist bereits die dritte bekannte Flucht dieser Art, wie die spanische Nachrichtenagentur EFE berichtet. Im Oktober 2020 wurden drei blinde Passagiere auf dem Ruder des Tankers „Champion Pula“ entdeckt; einen Monat später ebenfalls drei Geflüchtete auf dem Ruderblatt der „Ocean Princess II“. Alle Schiffe waren in Lagos losgefahren. Immer sind es drei blinde Passagiere gewesen. Ich wüsste gerne mehr über die Hintergründe.
Lebensgefährliche Reise
Not und Armut in Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, nehmen dermaßen zu, dass immer mehr Menschen den einzigen Ausweg in der Flucht sehen. Die weit entfernten Kanaren werden als Ziel immer interessanter, weil die Routen über das Mittelmeer strenger bewacht werden. Daten der spanischen Behörden belegen das.
Nicht nur Wellen und Wind bedrohen die Flüchtenden. Im September wurden ein Dutzend Nigerianer von einem Frachter vor Liberia gerettet, auf dem sie sich versteckten. Sie berichteten von einem Verbrechen. Die Crew des Schiffes aus Asien habe zwei aus ihrer Gruppe gefangen genommen und gefoltert.
Und anschließend über Bord geworfen.