Der Untergang der Atlantic Destiny. In dieser Geschichte vom Meer von Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken geht es um Mut, Durchhaltevermögen und die Bereitschaft, anderen in Not zu helfen. Eigenschaften, die in der Corona-Pandemie wichtig sind.
In dieser Woche geriet ein Trawler vor der Küste von Nova Scotia in Seenot. Zwei Feuer brachen unter Deck der „Atlantic Destiny“ aus. Wasser drang ein. Dies alles bei acht Meter hohen Wellen und Sturm auf dem Atlantik. An Bord des Fangboots: 32 Seeleute.
Die kanadische Küstenwache entsandte sofort Rettungsteams und Helikopter der amerikanischen Coast Guard flogen los. Einen Großteil der Crew evakuierten die Helfer wenig später. Ein Einsatz, den ein Pilot als „extremsten“ seiner Laufbahn beschrieb. In manchen Momenten musste der tieffliegende Helikopter haushohen Wellen ausweichen.
Atlantic Destiny in Seenot
Es gelang den Seeleuten, die Feuer an Bord zu löschen. Doch nun kommt es: Ein Teil der Crew, sechs Seeleute, blieb an Bord, weil die Männer versuchen wollten, ihr Schiff irgendwie zu retten. Ein Generator lief wieder und die Pumpen funktionierten schließlich.
Wassereinbruch. Kein Strom. Ein Trawler, der bei diesem Seegang in den Wellen hin und her geschleudert wird. Ich dachte darüber nach, wie man gestrickt sein muss, so etwas zu riskieren. Als mir einfiel, dass ich einen solchen Seemann gut kenne.
Kapitän Friedhelm von Staa, Jahrgang 1949, aus Cuxhaven. Er fischte im Mai 2000 unter Grönland, als ein Feuer im Maschinenleitstand wütete. Ein Stoßtrupp löschte, doch die Flammen krochen hinter die Verschalungen und kokelten als Schwelbrand weiter. Eine extrem gefährliche Situation bei Windstärke Acht und ruppiger See. Von Staa ließ die Maschinen abstellen, flutete den Raum mit C02 und setzte ein „Mayday“ ab.
Alleine auf dem Havaristen
Zum Glück kam ein anderer Trawler wenig später zur Hilfe. Die Crew fuhr auf Schlauchbooten in Sicherheit – doch ihr Kapitän blieb an Bord.
Alleine.
„Ich verlasse mein Schiff nicht, solange es eine Möglichkeit gibt“, sagte er mir. Er wollte die Leinenverbindung kontrollieren, mit der sein Trawler Richtung Island geschleppt wurde. Weil der Vorgang damit als „Hilfe“ deklariert wurde, nicht als „Bergung“ – was der Reederei viel Geld sparte. Für von Staa war es eine „Frage der Ehre“.
Im Inneren des Schiffes waberten giftige Dämpfe. Deshalb schlief er im Überlebensanzug auf einem Haufen Netze an Deck. Versuche der Crew, ihn zur Aufgabe zu bewegen? Erst am dritten Tag, als ihm jemand ein Telex seines Reeders überreichte, mit der deutlichen Aufforderung, es nun gut sein zu lassen, setzte er über. In Reykjavik wurde der Trawler repariert. Von Staa fuhr keine sechs Wochen später wieder damit auf See. (Die komplette Geschichte lest Ihr in unserem Buch Kapitäne.)
Aufgeben sollte keine Option sein
So glücklich ging die Havarie vor der Küste von Nova Scotia nicht aus. Die „Altantic Destiny“ sank am Mittwochmorgen um 10:46 Uhr Ortszeit.
Warum ich diese Geschichte auch erzähle? Ich wünsche mir mehr Durchhaltewillen und Zähigkeit in diesen Wochen. Auch wenn es schwer fällt nach einem Jahr Corona, nach ewigem Lockdown, Stümpereien des Gesundheitsministers und allgemeiner Genervtheit.
Aufgeben kann nie eine Option sein.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch „Helden der See“.