Dass der Inselbürgermeister sie sehen kann, ist ein Problem. Die „Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste“ (in der sich Kommunen, Landkreise und Naturschutzvereine zusammenschlossen haben) möchte, dass große Schiffe im Falle einer Sturmwarnung weiter draußen unterwegs sind. Damit bliebe Rettungskräften im Falle einer Havarie – wie im Falle der „Glory Amsterdam“, die im Oktober 2017 auf Langeoog zutrieb – mehr Zeit zu reagieren. Die Aussicht, noch einmal vermüllte Strände zu erleben, sei ein „Alptraum“, sagt Akkermann. Fast alle Insulaner leben vom Tourismus. Nach den großen Verlusten durch Corona würde ein neuer Unfall wie die MSC Zoe die Inseln ins Unglück stürzen.
Die Havarie der MSC Zoe
„Seitens der Politik bekommen wir leider wenig Initiative mit“, klagt Akkermann. Nach der Havarie der „MSC Zoe“ hörte man viele Appelle – doch passiert ist bislang wenig. Aus dem Bundesverkehrsministerium heißt es, dass Experten dabei seien, Empfehlungen aus dem BSU-Untersuchungsbericht „zu prüfen“. Warnmeldungen würden fortan an Schiffe verschickt, doch Fragen zur Verkehrswegeführung seien nun mal „komplex“. Sie würden aktuell in Fachgruppen „diskutiert“.
Dann hoffen wir mit den Menschen auf den Inseln, dass diese „Diskussionen“ rechtzeitig beendet sind, bevor es zur nächsten Havarie auf der Nordsee kommt.
Die Sorgen auf den Nordsee-Inseln. Jede Woche schreibt Ankerherz-Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer. In dieser Folge geht es um die Sorgen auf Deutschlands Nordsee-Inseln vor einer neuen Havarie.
Schon wieder haben zwei große Frachter jede Menge Container in einem Sturm verloren. Von Bord der „MSC Aries“ fielen 40 Stahlkisten in den Pazifik, von der „Maersk Essen“ sogar 750. Die dänische Reederei Maersk, größte der Welt, sprach von einer „sehr ernsten Situation“ und leitete ihr Schiff, das von einem Hafen in China nach Los Angeles unterwegs war, vorsichtshalber nach Mexiko um.
Dies sind dann die Unfälle vier und fünf dieser Art, die sich in den vergangenen Wochen ereignet haben. Ende November verlor die „One Apus“ in einem Orkan fast 2000 (!) Container. Weitere 100 Container fielen im Januar ins Meer. Zyniker vermuten schon: Wenn das weiter so geht, kann man demnächst zu Fuß nach Tokio laufen.
Die Sorgen auf den Nordsee-Inseln
Wer nun denkt: Das ist zwar mies für die Umwelt und die Schifffahrt, aber zum Glück doch weit weg, der denkt zu kurz. Das Problem gibt es direkt vor unserer Küste. Ziemlich genau zwei Jahre ist es her, dass die „MSC Zoe“ in der Nordsee vor den Inseln Ameland, Vlieland und Borkum 340 Container verlor. Es war ein typischer Wintersturm, eigentlich nichts Ungewöhnliches. Der Inhalt der Container verschmutzte die Strände der Inseln stark. Noch heute taucht der Plastikmüll auf. Umwelt und Fischer leiden unter den Folgen.
Was Ermittler der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchungen (BSU) über die Havarie der „MSC Zoe“ herausfanden, nachdem das Schiff an der Kaje in Bremerhaven festmachte, ist eine unbequeme Wahrheit: Die Container waren ordentlich gelascht. Es hatte viele Gerüchte gegen, über Mängel, Schlamperei, Zeitersparnis – doch die Crew hatte vorschriftsgemäß gearbeitet. Das wahre Problem liegt im System. Die heutigen Vorschriften decken sich nicht mehr mit der Realität an Bord der gewaltigen Schiffe. Kommt ein Großcontainerfrachter „ins Rollen“ (legt sich also stark von einer Seite auf die andere), dann wirken auf die hoch gestapelten Türme im Sturm Kräfte, die sich mit den heutigen Systemen nicht kontrollieren lassen. (Zum Untersuchungsbericht hier der Ankerherz Blog).
Wann geschieht es wieder?
Es ist also nicht die Frage, ob sich ein solches Unglück vor den deutschen Nordsee-Inseln wiederholen kann. Die Frage ist: wann es sich wiederholen wird.
Ich habe beim Bürgermeister von Borkum angerufen, dessen Insel damals stark betroffen war. „Die Gefahr ist nach wie vor da. Mich beunruhigt das sehr“, sagt Jürgen Akkermann (parteilos). Das Winterwetter war in diesem Jahr bislang ruhig. Doch er sehe bei auffrischendem Wind mit „gemischten Gefühlen“ den großen Pötten am Horizont hinterher.