Die Bürger von Rotterdam wehren sich gegen eine Superyacht. Oder vielmehr dagegen, dass wegen eines Spielzeugs von Amazon-Gründer Jeff Bezos eine historische Brücke im Hafen demontiert werden soll. Stefans Geschichte vom Meer erzählt diesmal auch einiges über unsere Zeit.
Zu den Hobbies von Oligarchen gehört es anscheinend, eine möglichst große Yacht zu besitzen. Natürlich braucht auch Jeff Bezos, Amazon-Gründer und Großmeister in Sachen Ausbeutung und Steuerersparnis, ein schwimmendes Ausrufezeichen seiner Omnipotenz.
Also gab er in der Oceanco Werft von Rotterdam „Y721“ in Auftrag, einen 127 Meter langen Dreimaster. Die größte Segelyacht der Welt und das längste und teuerste Privatschiff, das je in den Niederlanden gebaut wurde. Knapp eine halbe Milliarde € soll das Spielzeug kosten, ausgerüstet mit „einem Schnickschnack, den man noch nie gesehen hat“, wie das ein Schiffsmakler ausdrückte.
Rotterdam wehrt sich
Nun könnte „Y721“ bald fertig sein. Doch bei allen Superlativen haben die Planer ein klitzekleines Detail übersehen: Wie kommt das Schiff denn von der Werft raus aufs Meer?
Im Weg ist nämlich eine alte Brücke, die „Koningshavenbrug“, im Volksmund liebevoll „De Hef“ genannt. Einst rumpelten Züge über die Hubbrücke, heute steht sie unter Denkmalschutz. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Rotterdam von deutschen Bomben dem Erdboden gleichgemacht wurde, hatte man sie wieder aufgebaut. Sie ist „nur“ 46 Meter hoch. Zu klein für Bezos feuchten Traum.
Schiffbauer Oceanco stellte also einen Antrag, das bewegliche Mittelstück der Brücke für die Durchfahrt zu demontieren. Was für ein altes Bauwerk manche Gefahr birgt. Als dieser Plan durchsickerte, machte sich Empörung breit in Rotterdam, einer Hafenstadt, die auch für derbe Flüche bekannt ist. Das Wahrzeichen „De Hef“ demontieren und womöglich beschädigen, damit ein „größenwahnsinniger Milliardär“ spazieren fahren kann? Jetzt reicht es aber!
Faule Eier gegen die Superyacht
Besonders in den Sozialen Medien steigerte sich die Wut. Sie gipfelten im Aufruf, „Y721“ bei der Passage mit einem Hagel aus Eiern einzudecken, die gerne das Verfallsdatum überschritten haben sollten. Mehr als 4000 Menschen aus Rotterdam und dem Umland meldeten sich dafür an, und Sympathiebekundungen trafen aus der ganzen Welt ein.
Anfang der Woche zog die Werft den Antrag zurück, „aus Furcht vor Vandalismus“, wie ein Sprecher der Rotterdamer Stadtverwaltung mitteilte. Die Reaktionen seien einfach zu heftig gewesen. Was aber nicht die Frage klärt, auf welchem Wege die Superyacht auf See kommt. Oceanco reagierte ebenso wenig auf Medienanfragen wie das Büro von Bezos. Wird die Yacht in einer anderen Werft fertiggestellt?
Fakt ist, dass „De Hef“ nicht angerührt wird. Und dass Jeff Bezos in diesem Sommer auf ein anderes Spielzeug zurückgreifen muss. Der Arme.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.