Auf das Havariekommando kommt viel Arbeit zu. In Stefans neuer Geschichte vom Meer geht es um die Frage, welche Konsequenzen aus der Havarie der Mumbai Maersk vor Wangerooge gezogen werden. Oder eben nicht…
Ich würde lieber einem Fischbrötchen beim Verschimmeln zusehen, als nur einer Folge Dschungelcamp. Die medialen Mechanismen, die dazu führen, dass Deutschland ein Panoptikum dabei beobachtet, wie es im Gebüsch Känguruhoden lutscht, werde ich nie begreifen.
Ich erzähle hier lieber vom echten Havariekommando, dem aus Cuxhaven. In dieser stürmischen Woche haben die Männer und Frauen in zwei Fällen verhindert, dass es an unserer Nordseeküste zu Havarien mit potentiell schweren Folgen für Seeleute, Insulaner und Umwelt kam.
Havariekommando im Dauereinsatz
Am Wochenende seilte sich ein Towing Assistance Team (TAT) auf einem Schüttgutfrachter ab, der vor Ostfriesland auf die Küste zutrieb. Im Orkantief Nadia, bei sechs bis sieben Meter hohen Wellen. Ein Hochseeschlepper, die Nordic, sicherte den Havaristen namens „Vienna“ anschließend solange, bis die Maschine wieder lief. Noch mal: Sechs bis sieben Meter hohe Wellen, Windstärke elf. Was diese Leistung bedeutet, versteht eigentlich nur, wer diese Bedingungen draußen auf See erlebte.
Vor Den Haag verhinderte ein niederländisches Bergungsteam in letzter Stunde, dass ein großer Massengutfrachter nach einem Wassereinbruch auf den Strand lief. Weniger als drei Seemeilen fehlten zu Katastrophe. Und dann die Havarie der „Mumbai Maersk“, die nach einem seltsamen Manöver direkt vor Wangerooge neben der Fahrrinne festsaß. Ein Team aus Havariekommando und Bergungsexperten schaffte es, das 399 Meter lange Riesenschiff mit mehr als 7300 Containern an Bord freizubekommen.
Es war wirklich die Woche der Heldentaten auf See.
Vermutlich werden in Zukunft weitere nötig sein. Die Frachter werden größer, die Stürme härter – aber die Beamten im Bundesverkehrsministerium, weit weg von der See, scheint das nicht wirklich zu interessieren. Als vor drei Jahren die MSC Zoe in einem Wintersturm 348 Container verlor, deren Inhalt die Strände verschmutze, begann eine Diskussion über Schifffahrtswege, oder zumindest dachte man das.
Warum nicht eine andere Route?
Warum lässt man große Frachter im Sturm nicht auf einer Route weiter draußen vor der Küste fahren? Wo das Land weiter entfernt und das Wasser tiefer ist. Zur Sicherheit. Wenn nämlich etwas passiert, die Maschine ausfällt oder das Ruder, dann bleibt mehr Reaktionszeit. Dies fordern nicht nur Insulaner und Politiker an der Küste, sondern auch Fachleute und Nautiker.
Doch seit drei Jahren prüft das Ministerium und prüft und prüft, und letzte Woche ließ das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie mitteilen, dass es keinen Grund sehe, die Frachter auf andere Routen zu schicken. Auf die mutigen Männer und Frauen vom Havariekommando Cuxhaven kommt in den Stürmen der nächsten Jahre einiges an Arbeit zu, fürchte ich.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Zuletzt erschien bei Ankerherz das Buch „Überleben im Sturm“ über die Retter der RNLI.