Wiedersehen mit Kapitän Schwandt. Jeden Samstag schreibt Ankerherz Verlagsleiter Stefan Kruecken eine Geschichte vom Meer, die in der Hamburger Morgenpost erscheint. In dieser Folge geht es um ein lange ersehntes Treffen in der Corona-Zeit.
Zu den Schattenseiten der Coronazeit gehört es, dass man Menschen, die man mag, besser meidet. Besonders dann, wenn sie zur Hochrisikogruppe gehören. Wie Kapitän Schwandt, chronisch krank, starker Raucher, gerade 84 geworden. Er lebt seit Monaten zurückgezogen, um die Chance, mit dem Virus in Kontakt zu kommen, möglichst klein zu halten.
Seit Monaten haben wir uns nicht gesehen. Doch nun war die Zeit reif – und wir verabredeten uns am Museumshafen Övelgönne. Mit dem Versprechen, Abstand zu halten, mit Maske, wie sonst, und für die Länge einer Mug Kaffee. Es regnet an diesem Julitag, es hat 13 Grad, nicht untypisch für den Sommer in Hamburg. Man hat ja schon fast vergessen, wie das früher war, bevor sich das Klima änderte.
Mit Kapitän Schwandt in die Haifisch Bar
Der Kapitän wartet am Anleger, als die Fähre 62 von Finkenwerder anlegt, er ist wie immer als Erster da. Er raucht, was ein gutes Zeichen ist. Handgeben oder eine kurze Umarmung ist nicht drin.
„Na, min Jong?“
Der Captain grinst. Noch schmaler ist er geworden. Wir suchen ein Café nahe des Anlegers, doch alle haben geschlossen. Ein paar Touristen tapsen um die Pfützen, sonst ist nichts los im Hamburger Regen. Wir nehmen also ein Taxi in die Haifisch Bar, denn die hat immer auf. Eine Zeitlang war es das „zweite Wohnzimmer“ des Kapitäns, hier traf er zum Beispiel Oberbürgermeister Olaf Scholz zum MOPO-Gespräch und hier stellten wir die „Sturmwarnung“ vor.
Die „Debatte“ über die Maskenpflicht
Auch im Hai gelten aktuell die Corona-Regeln, so sonderbar für eine Hafenbar, die von Enge und Intimität lebt. Die Barkeeper tragen Maske, es wirkt ein bisschen wie im OP. Wir bestellen zwei Becher Kaffee und setzen uns unter das Bild des Trawlers, in das jemand mal ein Beil warf.
„Jürgen, wie geht es Dir?“
Ich frage das, obwohl ich weiß, dass ich keine Antwort bekomme. Ich kenne niemanden, der ein Potpourri von Krankheiten so tapfer erträgt, mit einer Mischung aus Trotz und Gelassenheit und innerer Zufriedenheit.
„Altersgerecht“, brummt er, seine Standardantwort.
Wir reden über dies und das. Über die Lage daheim, die Lage im Verlag, über die Situation der Seeleute, von denen 300.000 nach Schätzungen gestrandet sind. Über Trump und sein historisches, kriminelles Versagen. Über die Proteste in den USA und wie gut und überfällig sie sind. Über die Coronazeit und was sie wohl an Veränderungen bringen wird. Über die Debatte zur Maskenpflicht.
„Seltsame Zeiten sind das“
„Sind manche Leute nicht ganz dicht“, fragt Schwandt. „Was gibt es da eigentlich zu diskutieren? Wenn Leute wie ich das Virus bekommen, war es das.“
Wir reden über die AfD, die sich zwar politisch selbst zerlegt, doch dem militanten Rechtsextremismus den Boden bereitet hat. Eben im Taxi liefen die Nachrichten mit der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts. „Seltsame Zeiten sind das“, sagt der Kapitän.
Nach knapp einer Stunde wirkt er müde.
Wir verabschieden uns vor der Haifisch Bar. Es regnet immer noch im Hafen. Am Tag, wenn die Viermastbark „Peking“ zurück nach Hamburg kommt, wollen wir uns wiedersehen.