Stefans Geschichten vom See: ein echtes Wunder auf See

Stefans Geschichten vom See: ein echtes Wunder auf See - Ankerherz Verlag

Ein Wunder auf See. In Stefans Geschichten vom Meer geht es in dieser um ein aktuelles Ereignis, das als Wunder auf See durchgeht. Ein Seemann hat auf dem Pazifik schier unglaubliches Glück gehabt, als er von Bord seines Frachters fiel.

Eine der einsamsten Inseln der Welt ist Pitcairn mitten im Pazifik. Rund fünftausend Kilometer sind es bis Neuseeland, etwa zweitausend bis zu den Osterinseln. Die ersten Bewohner waren im Jahr 1789 die Meuterer der „Bounty“. Sie versteckten sich hier nach dem Aufstand von Oberbootsmann Fletcher Christian gegen ihren sadistischen Kapitän vor den Verfolgern der Royal Navy (siehe historischer Stich).

Der Archipel, eine britische Kronkolonie, ist so abgelegen, dass kein Mobilfunknetz existiert. Einen Flugplatz gibt es auf dem wilden Stückchen Land nicht. Strom wird stundenweise rationiert. Den Lebensunterhalt der 50 Insulaner auf der einzig bewohnten Hauptinsel Pitcairn sichert heute ein Versorgungsschiff, das sich alle zwei Wochen auf die lange Reise macht.

Ein Wunder auf See

Auf diesem Frachter, der „Silver Supporter“ handelt eine der unglaublichsten Geschichten vom Meer, die ich bislang gehört habe. Eine Geschichte von Zähigkeit, Lebenswille und einem Schutzengel, der Überstunden schob.

Die Crew der „Silver Supporter“ machte am 8. Februar im neuseeländischen Taurunga die Leinen los. Ihr Schiff befand sich acht Tage auf See, als Maschinist Vidam Perevertilov, 52, nach Wachwechsel frische Luft an Deck atmen wollte. Er fühlte sich unwohl. Es war vier Uhr morgens, klare Nacht über dem Pazifik. Der Chief trat an die Verschanzung und holte tief Luft.

Was genau geschah, daran hat der Seemann, der aus Litauen stammt, keine genaue Erinnerung. Er fühlte sich heiß, irgendwie schummrig – und dann war er plötzlich hellwach.

Er trieb im Ozean.

Ohne Überlebensweste. Ohne Hoffnung, dass ein Crewmitglied etwas von seinem Sturz über Bord mitbekommen hatte. Mehr als 750 Kilometer vom nächsten Stückchen Land in Französisch-Polynesien entfernt begann er zu schwimmen. Wie er sich gefühlt haben mag, als das Schiff weg von seinem Leben fuhr?

Rettungsaktion läuft an

Als der neue Tag dämmerte, entdeckte der Seemann ein dunkles Objekt in einiger Entfernung. Was genau das war, konnte er nicht ausmachen, doch die Hoffnung trieb ihn an. Er kraulte darauf zu: Es war ein großes Stück Plastikmüll. Eine Boje, die von einem Trawler stammte. Groß genug, ihn zu tragen.

An Bord der „Silver Supporter“ hatte man sein Verschwinden inzwischen bemerkt und Alarm ausgelöst. Die französische Marine koordinierte die Suche und informierte sämtliche Schiffe im Teil dieses weiten Ozeans. In Frankreich errechneten Meteorologen anhand von Strömungen und der Windrichtung, wohin der Mann getrieben sein konnte.

Die Hoffnung, ihn lebend zu finden? Verschwindend gering. Es brauchte eine Art Wunder auf See, das war klar.

Der Chief hielt sich an der Boje fest. Stunde um Stunde verging. Er Seemann spürte, wie die Sonne seine Haut verbrannte. Er merkte, dass die Kräfte nachließen.

Er dachte über sein Leben nach.

Das Schiff kommt zurück!

Dann sah er ein Schiff am Horizont. Tatsächlich, ein Schiff! Seine „Silver Supporter“ kam zurück! Wenig später zogen ihn seine Kameraden zurück an Deck. 14 Stunden, nachdem er über Bord gefallen war. Abgesehen von einem üblen Sonnenbrand war ihm körperlich nichts passiert. „Er sah 20 Jahre älter aus als vorher, aber sonst war alles in Ordnung“, sagte sein Sohn Marat einer neuseeländischen Zeitung. Die Fitness habe seinem Vater das Leben gerettet. Die gute körperliche Verfassung und sein starker Wille, unter keinen Umständen aufzugeben.

Er vergaß, das unglaubliche Glück zu erwähnen. Ein Stück Unrat zu finden, das in diesem Fall ein Leben wert war. Gefunden zu werden, in der endlosen Weite des Ozeans?

Die Boje, der er sein Leben verdankte, nahm der Seemann nicht aus dem Meer. Für den Fall, dass „sie noch jemand braucht“, sagte er.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet den Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch „Helden der See“, das er zusammen mit Olaf Kanter vom Spiegel schrieb.

 

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