Manche Heldengeschichten lesen sich, als habe man das Drehbuch eines kitschigen Fernsehfilms abgeschrieben. Die Geschichte der Grace Darling beispielsweise, der mutigen Tochter eines Leuchtturmwärters im Norden von England. Was sie leistete, beeindruckte das British Empire und sogar eine Königin – und wird bis heute erzählt.
Grace Darling - Heldin der See
Grace Darling lebte auf dem Leuchtturm von Longstone an der Nordostküste Englands, Grafschaft Northumberland. Zu den Farne-Inseln ist es sind nicht weit; Holy Island war einst ein Zentrum keltischer Kultur, bis es einmal zu oft von den Wikingern überfallen wurde.
Der Leuchtturm, in dem Familie Darling einst wohnte, steht heute noch. Ein beliebtes Fotomotiv, angepinselt in Rot und in Weiß, das die Boote für Tagestouristen aus dem Hafen des Fischerdorfs Seahouses ansteuern. Im oberen weißen Ring soll sich das Zimmer von Grace Darling befunden haben.
Aus diesem Fenster sah sie am frühen Morgen des 7. September 1838 einen Schatten auf der gegenüberliegenden Felseninsel Big Harcar. Das Wetter war schlecht, es regnete und stürmte. Als der Morgen dämmerte, erkannte sie die Silhouette eines Schiffes. Sofort rief sie nach ihrem Vater William Darling, dem Leuchtturmwärter.
Was war geschehen?
Auf der SS Forfarshire, einem Raddampfer im Pendeldienst zwischen dem schottischen Dundee und dem englischen Hull, war die Maschine ausgefallen. Bei schwerer See trieb das Schiff auf die Klippen von Big Harcar, wo es in zwei Teile zerbrach. Es war so stürmisch, dass die Rettungsboote Schwierigkeiten haben würden, aus Seashouses herüber zu kommen.
Der Leuchtturmwärter und seine Tochter zogen ihre Jacken an und eilten zum Ruderboot. Von der Küste drangen die Schüsse der Kanonen herüber, mit denen Fischer alarmiert wurden, in die Rettungsboote zu steigen.
In Sturm und Regen kämpften sich der Leuchtturmwärter und seine Tochter nur mit der Kraft ihrer Arme durch die Wellen und erreichten nach etwa einer Seemeile den Havaristen. Sie halfen vier Männern und der einzigen überlebenden Frau, Sarah Dawson, ins Boot. Mrs. Dawson stand unter Schock, sie hatte in der Nacht ihre kleinen Kinder James und Matilda an die See verloren. William Darling ruderte das Boot mit drei Männern zurück zum Leuchtturm. Während sich Grace um die Schiffbrüchigen kümmerte, ruderte ihr Vater mit den Männern, die dazu körperlich imstande waren, zurück zum Wrack, um vier weitere Überlebende zu retten.
Ein Vorbild - bis heute
Auch das Rettungsboot der Fischer erreicht die Forfarshire. Sie fanden keine Überlebenden, sondern nur die Leichen der Kinder. 43 Menschen starben bei der Havarie der SS Forfarshire, unter ihnen auch der Kapitän und seine Frau. Der Sturm steigerte sich zum Orkan. Die Fischer, denen der Rückweg nach Seahouses abgeschnitten war, fragten den Leuchtturmwärter um Hilfe. Gemeinsam ruderten die Boote zum Leuchtturm von Longstone; drei Tage lang harrten sie dort aus, bis sich das Wetter beruhigte.
Die Geschichte der selbstlosen Rettung verbreitete sich rasch, und die Rolle von Grace Darling fand besondere Beachtung. Sie und ihr Vater wurden von der „Royal National Institution for the Preservation of Life from Shipwreck“, der Vorgängerorganisation der Seenotretter, mit der silbernen Medaille für Tapferkeit ausgezeichnet. Königin Victoria beteiligte sich mit einer Spende von 50 Pfund, damals ein kleines Vermögen, an einer Spendenaktion für die Familie.
Grace Darling erhielt kistenweise Geschenke, Briefe und mehrere Heiratsanträge. Wie berichtet wird, machte sich in den Wochen nach der Rettungsaktion ein Dutzend Maler auf den Weg zur Leuchtturminsel, um die Heldin zu porträtieren. Gemälde von William Bett Scott oder Thomas Musgrave Joy (das besonders dramatisch geriet) hängen noch heute in Museen. Ihre Popularität war so groß, dass der Herzog von Northumberland eine Patenschaft für sie übernahm und ihr eine Teekanne aus Silber schenkte.
Grace Darling wurde nun zur Legende. (...)
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