Chaos in den Häfen. Lieferketten unter Druck, vor allem aber: Seeleute am Ende ihrer Kräfte. Doch es gibt auch Corona-Gewinner. Wie die Seefracht-Marktforschungsfirma Drewry errechnet, könnten die Großreedereien das Jahr 2021 mit 100 Milliarden US-Dollar Gewinn abschließen.
Dies schreibt die angesehene Beratungsgesellschaft mit Sitz in London in einer Anfang Juli veröffentlichten Studie. Mindestens werde eine Summe von 80 Milliarden US-Dollar Gewinn erwartet. Was ebenfalls ein historischer Rekordwert ist und für die Branche eine dramatische Trendwende bedeutet. Alleine für den dänischen Weltmarktführer Maersk geht man von einem Gewinn in Höhe zwischen acht und zehn Milliarden US-Dollar aus.
Seit der Finanzkrise 2008 litt die Seefahrt unter gewaltigen Überkapazitäten. Zeitweilig wurden Container zum Selbstkostenpreis über die Meere gefahren. Die Beratungsfirma McKinsey errechnete noch 2018, dass die größten Linienreedereien in zwei Jahrzehnten mehr als 100 Milliarden Dollar Shareholder-Value verbrannten.
Großreedereien sind Corona-Gewinner
Die Folge: Reedereien gingen pleite. Kleine Reedereien wurden von großen übernommen. Große Reedereien fusionierten zu noch größeren Reedereien. Die Anzahl der global operierenden Großreedereien halbierte sich. Was übrig blieb, schloss sich in Allianzen zusammen. Und diese drei Allianzen diktieren seither den Kunden die Preise – und auch den Häfen. Die Machtverhältnisse in der Welt der Seefahrt haben sich komplett verschoben.
Im Herbst 2020, als sich die Corona-Pandemie in einigen Ländern entspannte, stieg die Nachfrage nach Containerplätzen (und Containern) stark. Und damit die Preise: Aktuelle Daten zeigen, dass ein Standard-40-Fuß-Container von Shanghai nach Rotterdam mehr als 11.000 US-Dollar kostet. Das sind mehr als 500% mehr als vor einem Jahr, schreiben Analysten.
Rekordergebnisse, wohin man blickt
Entsprechend glänzend laufen die Geschäfte für die großen Reedereien, die jahrelang durch eine Flaute mussten. Die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd vermeldete ein Rekordergebnis und verachtfachte (!) im ersten Quartal 2021 den Betriebsgewinn. Die Aktie ist heute viermal so wertvoll wie vor eine Jahr. Ähnlich sieht es bei den Mitbewerbern Maersk (Dänemark) und CMA CMG (Frankreich) aus.
Nach Ansicht von Experten ist ein Ende der Entwicklung vorerst nicht in Sicht. Sie gehen davon aus, dass das Transportvolumen auf See in den kommenden Monaten weiter steigen wird. Ob auch die Seeleute an dieser für die Reedereien positiven Entwicklung beteiligt werden? Ob sich die Arbeitsbedingungen an Bord bessern und auch die Löhne steigen? Berichte über Depressionen und sogar Selbstmorde an Bord häufen sich.