ANKERSCHMERZ: Depression und Europawahl

ANKERSCHMERZ: Depression und Europawahl - Ankerherz Verlag

Die Europawahl ist wichtig für uns alle. Das sagt auch Ankerherz-Autor Dominik Bloh, der zum ersten Mal wählen gehen wird. Lest seinen Aufruf, die Stimme abzugeben. Und den Grund, warum die Kolumne in der letzten Woche ausfiel.

In der letzten Woche war hier nichts von mir zu lesen. Depressionen machen manchmal handlungsunfähig. Geht es mir schlecht, dann kann ich nichts tun. Ich liege nur da und schaue stundenlang regungslos an die weiße Decke. Je länger ich das Weiß anstarre, desto dreckiger sieht es aus.

Depression macht handlungsunfähig

Mein Kopf dreht sich im Kreis. Ich gebe mir dafür die Schuld und ich gehe durch, was ich alles grade nicht schaffe oder ob da wieder jemand enttäuscht ist von mir, weil er sich verlassen hat. Es ist schwer sich auf mich zu verlassen. Mein Kopf macht die Regeln, mein Körper folgt. Sagt mir die innere Stimme, ich solle liegen bleiben, dann tue ich das.

Heute werde ich mich auf jeden Fall aufraffen. Zum ersten Mal in meinem Leben werde ich zur Europawahl wählen gehen. Bisher kam es nicht dazu. Ich hatte keine Anschrift. Wahlbenachrichtigungen haben mich nicht erreicht oder ich hatte keinen Ausweis. Irgendetwas war immer. Das soll nicht mehr sein.

Wer nicht wählt, wählt Rechts

Seit die AfD im Bundestag sitzt, ist mir klar geworden wie wichtig das ist.

Wer nicht wählt, wählt Rechts. Das zeigt ein Rechenbeispiel: Wenn von 100 wahlberechtigten Menschen 75 tatsächlich wählen und 6 Personen davon die AfD wählen, bekommen die 8% der Stimmen. Würden nur 50 Menschen wirklich wählen und die 6 Personen ihren rechten Haken machen, klettert die „Partei“ in den zweistelligen Bereich.

Ich beobachte, was in der Politik passiert. Ich habe das Gefühl, dass diese Zahl der Nichtwähler oft nur wenig mitdiskutiert wird. Sind es nicht grade diese Menschen, die überzeugt werden sollten? Politik war in meinem Leben immer nur eine Begleiterscheinung. Ich erinnere mich an meine Begegnung mit der Landwirtschaftsministerin Klöckner in einer Fernsehsendung. Sie sagte mir, dass ja kein Mensch wirklich obdachlos sein müsste. Das ist einfach so entfernt von meiner Realität.

Geht zur Europawahl!

30 Jahre hatte ich jetzt Zeit, mir dieses Land und die unterschiedlichen Richtungen anzusehen. Am Ende werde ich Grün wählen. Nicht wegen der Inhalte oder weil ich mich mit dem Programm auskenne. Der Wahl-O-Mat hat mir geholfen. Eine Sache, die wir schon im Schulunterricht gemacht haben und so sinnvoll ist. Eine Entscheidungshilfe für alle, dies es nicht so genau wissen. Denn Wahlwerbespots waren genau so langweilig wie die immer gleichen Plakate, die überall hängen.

Nur „Die Partei ragte heraus. Als einzige hat sie auf das Ertrinken im Mittelmeer aufmerksam gemacht. In Europa werden die rechtspopulistische Parteien stärker. Diese wollen kein Europa, das ich mir wünsche. Ich fühle mich mehr als Europäer, denn als Deutscher. Ich möchte hier leben und etwas beitragen.

Darum gehe ich wählen. Geht bitte alle! Es ist wichtig wie noch nie. Alles geht.

Außer Rechts. 

Dominik Bloh, Jahrgang 1988, lebte elf Jahre lang immer wieder auf den Straßen von Hamburg. Er hat ein Buch darüber geschrieben. „Unter Palmen aus Stahl“ wurde ein SPIEGEL-Bestseller. Überall im Handel und hier im Online Buchladen von Ankerherz.

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