Jede Woche schreibt Ankerherz-Autor Dominik Bloh über sein Leben. Die Kolumne erscheint auch in der Hamburger Morgenpost. In dieser Folge geht es um ein Problem, das in Deutschland laut der Hauptstelle für Suchtfragen knapp eine halbe Million Menschen betrifft: Spielsucht.
Wir haben noch 25 Minuten, bis der nächste Zug nach Hamburg kommt. Am Bahnhof dieser kleinen Stadt gibt es nicht viel. Nur die Spielhalle leuchtet und blinkt in hellen Farben auf. Geld schläft eben nie. Es ist so ungemütlich und dunkel, dass wir uns entscheiden, reinzugehen.
Der Strudel der Spielsucht
Für mich gehören Spielhallen zu den traurigsten Orten, die es gibt. Sie sind überall gleich. Ein verdunkelter Raum, man soll von der Welt draußen so wenig wie möglich mitbekommen. Viele Automaten, die klingelnde Geräusche machen, als würden die Münzen gleich aus dem Kasten strömen. Wir setzen uns an einen freies Spielgerät und werfen zwei Euro in den Schlitz.
Es ist schon verrückt, wenn man es wirklich mal geschafft hat, damit über tausend Euro zu gewinnen. Natürlich denkt man, das sei wieder möglich: ‚Wenn ich davon die Hälfte des Gewinnes wieder verspiele, irgendwann wird es klappen und sich auszahlen.’ Mit diesen Gedanken beginnt der Strudel der Spielsucht. Nebenbei bekommt man ordentlich Kaffee und Cola nachgeschenkt. Man soll ja nicht müde werden.
Kein Blick nach draußen, keine Uhr
Wie lange man hier drinnen sitzt, kriegt man oft gar nicht mit. Uhren hängen nicht an den Wänden. Man soll gar nicht die Zeit im Blick haben, sondern nur den Bildschirm. Hol’ alles raus.
Ich habe früher in einer Spielhalle gearbeitet. Es war krass zu sehen, wie unterschiedlich die Spieler waren. Die Sucht war ihre größte Gemeinsamkeit. Der Bauarbeiter, der schon vor der Arbeit reinkam, kurz nach 6 Uhr in der Frühe, als ich den Laden aufschloss. Die Frau mit Sonnenbrille und Cap, tief ins Gesicht gezogen. Ihr Autokennzeichen verriet, das sie nicht aus der Stadt kam. Sie wollte auf keinen Fall erkannt werden. Ganz klar: Sie spielte heimlich.
Die Spieler haben oft wenig
Spielsucht kann jeden treffen. Ein großes Problem: Viele, die spielen, haben so wenig. Es ist eben so verlockend, mit einem Euro etwas rausholen zu können. Der Einsatz ist klein, das Versprechen auf Gewinn groß. Und dann gewöhnt man sich. Es gibt Menschen, die zocken an zehn Automaten gleichzeitig. Einer muss doch was geben! Am Ende sind die Taschen leer. Geldnot ist die Folge. Dann beginnt der Teufelskreis erst richtig. Spielen in der Hoffnung, die alten Schulden damit begleichen zu können.
Daran denke ich, während wir hier drinnen sind, in einer Spielhalle am Bahnhof einer kleinen Stadt. Selbst hier, wo sonst nichts ist, findet man Glückspiel. Auf dem Weg nach Hause in Hamburg achte ich drauf. Ich sehe ein Dutzend Spielotheken. In Eimsbüttel laufe ich auf hundert Metern sogar an drei vorbei. Eine lachende Sonne strahlt mich aus dem Dunkeln an. Dahinter verbirgt sich allerdings nichts weiter als die Spielhölle.