Lustigster von den Letzten: Nachruf auf Kapitän Jonny Roggendorf

Lustigster von den Letzten: Nachruf auf Kapitän Jonny Roggendorf - Ankerherz Verlag

Er war ein Kapitän, für den das Meer ein Elixier des Lebens bedeutete. Er war ein Geschichtenerzähler, ein Filou und ein Seemann mit großem Herzen. Nachruf auf Kapitän Jonny Roggendorf. Von Stefan Kruecken, Verlagsleitung Ankerherz.

Auch seinen Namen hätte man sich nicht ausdenken können: Kapitän Jonny Roggendorf, wie das schon klingt. Wie ein Held in einem dieser „Anker-Hefte“ aus den 50er-Jahren, als Seemannsabenteuer am Kiosk ein paar Groschen kosteten. „Jonny Roggendorf und der Untergang des Frachters Positano“, oder: „Jonny Roggendorf und die Piraten von Lagos“.

Tatsächlich klang es manchmal wie ein Märchen aus einer anderen Zeit, wenn Johnny, Jahrgang 1942, geboren in Altona, Seemann seit seinem 16. Lebensjahr, von Früher erzählte. „Die jungen Kollegen glaubten mir selten“, meinte er mal. „Die dachten doch, ich bin die wandelnde Abteilung Seemannsgarn“.

Der Kapitän und das Seemannsgarn

Auch das hatte er drauf, und ich kenne keinen Kapitän, der so geschickt erzählen konnte, mit Liebe zu kleinen Details und dem Sinn für eine krachende Pointe im richtigen Moment. Ich erinnere Fotoalben, alte Logbücher, Nachschub an Kaffee – und diesen Schalk in seinen Augen. Das Alter ist für manche Menschen nur eine Zahl.

Wenn er beispielsweise vom „schlimmsten Schiff der Welt“ berichtete, einem verrosten Seelenverkäufer namens „Hinrich Peters“, der mit einer versoffenen Crew nach Schweden tuckerte, dann erschien das wie eine Mischung aus Dokumentation der harten Jahre und purer Comedy. „Opa Voss“, der chronisch betrunkene Matrose Schmutzler und ein Klo in der Verschanzung, das bei Wellengang die Kacke zurückwarf.

Ein Nachruf auf Kapitän Jonny Roggendorf. Foto: Ankerherz

Jonny war einer der letzten Zeugen einer Epoche, in der Seefahrt echtes Abenteuer bedeutete. Vor dem Zeitalter des Containers, vor den Computern, vor der GPS-Kontrolle, vor der Ausflaggung. Es klang romantisch, wenn Jonny von wilden Nächten in den Hafenbars von Rotterdam berichtete oder von Dschungeltrips in Afrika. Ich bin aber nicht sicher, ob man immer gerne dabei gewesen wäre.

Die Bars von Rotterdam

Dann kam der Bruch, die Stahlkisten ersetzten das Stückgut– und alles wurde anders. Deutsche Seeleute fanden keine Arbeit. Der Kapitän aus Buxtehude heuerte bei einer Reederei in Island an, um mit einem viel zu kleinen Schiff Ladung in die USA zu bringen. Oft habe er „die Hose richtig voll gehabt“, aus Furcht vor den Orkanen des Nordatlantiks und Eisbergen, doch einen anderen Weg, seine Familie zu ernähren, sah er nicht mehr.

Auf einer Reise geschah ein Mord an Bord. Der Maschinist erschoss im Suff einen Matrosen, auch eine Hure spielt in der Geschichte ein Rolle. Weil sich die kanadische Polizei im Zielhafen nicht zuständig fühlte, heuerte Johnny einen Privatdetektiv an, damit der Täter nicht entkam. (Den unglaublichen, wahren Krimi lest Ihr in unserem Buch MORD AN BORD).

Nun ist Jonny Roggendorf in seiner Heimatstadt Buxtehude gestorben, nach langer, schwerer Krankheit, die er tapfer ertrug. Ich werde ihn vermissen, ihn, seine Stories und das Blitzen in seinem Blick.

Farewell, mein Held aus dem Groschenroman.

Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.

 

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