Nächtliches Pinkeln in die Ostsee ist keine Ordnungswidrigkeit. Dies hat nun das Amtsgericht Lübeck entschieden. Es hatte im Fall eines jungen Mannes zu entscheiden. Ein Urteil mit Strahlkraft – und einiger Poesie…
Wie kam es zum Prozess ums Pinkeln? Juli 2022, ein warmer Sommerabend, einige Freunde treffen sich am Strand von Travemünde nahe Lübeck. Die jungen Leute lachen und trinken. Bei einem drückt schließlich die Blase.
Es ist exakt 0:36 Uhr – so steht es im Bericht des Ordnungsamtes – als er sich an den Spülsaum der Ostsee stellt und laufen lässt. Pinkeln am Strand? Darauf haben drei Mitarbeiter der Behörde an anscheinend nur gewartet.
Wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ und einer „grob ungehörigen Handlung“ stellen sie einen Strafzettel aus. Dass es dunkel war, der junge Mann abseits stand, mit dem Rücken zum Strand – und ihn eigentlich niemand sehen konnte? Den Leuten vom Amt egal.
Der junge Mann wehrte sich gegen den Bußgeld in Höhe von 60 Euro. Nun das Urteil des Amtsgerichts Lübeck. Der Richter entschied, dass das Schamgefühl der Öffentlichkeit in der Dunkelheit nicht verletzt wurde. Niemand habe sich belästigt gefühlt.
Die Ostsee enthalte insgesamt „eine Wassermenge von 21.631 Kubikkilometern Brackwasser“. Selbst im „Wiederholungs- oder Nachahmungsfall“ sei diese Menge so hoch, dass, Zitat: „eine belästigende Verschmutzung oder Geruchsbeeinträchtigung ausgeschlossen ist«.
Auch Wanderer, Jäger und Landwirte müssten unter freiem Himmel pinkeln. Die Ostsee sei nahe gewesen und es gebe keine andere Rückzugsmöglichkeit als mit dem Rücken zum Strand: „So ist das bei uns an der Küste“.
Und dann wurde Richter Felix Spangenberg beinahe poetisch: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“