Ein Drogenfrachter, ein südamerikanisches Kartell. Drogenkuriere, die sich als Fischer tarnen – und eine Spezialeinheit. Was sich vor der Küste von Irland abspielte, klingt nach dem Drehbuch eines Actionfilms. Es ist aber echt – und zeigt, welche Mittel den Drogenkartellen zur Verfügung stehen…
Von Stefan Kruecken
Elitesoldaten des „Army Ranger Wing“, einer Spezialeinheit der irischen Streitkräfte, seilen sich im Sturm von einem Helikopter auf den Drogenfrachter ab. Der Steuermann des Frachters „MV Matthew“ versucht, dies zu verhindern, indem er hart nach Backbord dreht. Doch vergeblich: Die ARW-Einheit landet an Deck.
Die Soldaten geben Warnschüsse ab. Mit halbautomatischen Gewehren entern sie die Brücke. Wenig später haben sie die Crew verhaftet – und den größten Drogenfund in der Geschichte Irlands sichergestellt: 2,2 Tonnen Kokain im Wert von rund 157 Millionen €.
Drogenfrachter vor Irland
Was sich vor der Südostküste der Insel zuträgt, erinnert an einen Actionstreifen aus Hollywood. Es geht um ein südamerikanisches Kartell, einen 189 Meter langen Massengutfrachter, um einen Trawler und um Küstenbewohner, die nun Strände nahe Wexford nach Drogen in großen Tüten absuchen.
Wie aggressiv Drogenkartelle in den Häfen Nordeuropas operieren – auch in Hamburg und Bremerhaven – das war mehrfach Thema dieser Kolumne. Die Kriminellen scheuten in Rotterdam nicht mal davor zurück, Polizisten und Staatsanwälte anzugreifen. Doch die Geschichte des Drogenfrachters vor Irland hat eine ganz neue Qualität – sie zeigt, zu welcher Logistik die Drogenmafia fähig ist.
Kriminelle kaufen Trawler
Am 18. August hatte die „MV Matthew“ einen Hafen in der Karibik verlassen und steuerte Guyana an, um Ladung aufzunehmen. Dann lief das Schiff langsam Richtung Europa. Am Freitag vergangener Woche legte der Trawler „Castlemore“ im Hafen von Castletownbere in Irland ab. Kriminelle hatten ihn tags zuvor gekauft.
Als Fischer getarnt wollten sie das Kokain auf See übernehmen und unauffällig auf die Insel bringen. Doch der Trawler lief in der Nacht wenige Seemeilen vor Blackwater auf eine Sandbank. Die „Irish Times“ berichtet, dass die Coast Guard zwei Männer von Bord rettete und festnahm.
Auch das „Mutterschiff“ der Drogenschmuggler meldete wenige Stunden später einen Maschinenschaden. Noch sind manche Details undurchsichtig, doch klar ist, dass auch der Kapitän der „MV Matthew“ von der Küstenwache evakuiert wurde. Bewusstlos und stark verletzt. Hatte man ihn an Bord zusammengeschlagen?
Suche nach Komplizen in Irland
Fortan fuhr der Frachter unter genauer Beobachtung der Behörden. Nicht leichter machte es den Schmugglern auf der Brücke, dass ein schwerer Sturm namens „Agnes“ aufzog. Dann schlugen die Spezialkräfte zu. An der Küste Irlands verbreitete sich rasch das Gerücht, dass die Kriminellen Drogenpakete in den Atlantik warfen, um ihre Spuren zu beseitigen.
Trotz des Sturms sind die Strände von Wexford in diesen Stunden bevölkert. Im Zeitalter der Segelschiffe banden die Einheimischen Lichter auf Esel, um Schiffe auf die Sandbank vor der Küste zu locken – auf eben jene Sandbank, auf der nun der Trawler der Drogenbande strandete. Heute sitzen sie in Autos und suchen den Atlantik mit Ferngläsern ab. „Los geht´s, mein Kokain finden“, zitiert eine lokale Zeitung einen jungen Mann.
Der Drogenfrachter „MV Matthew“ liegt im Hafen von Cork. Und die Suche nach den Komplizen in Irland hat begonnen.