Blau sind das Meer und der Himmel, Blau ist die Farbe der Grenzenlosigkeit. Warum kidnappt die AfD also ausgerechnet diese Farbe? Eine neue Geschichte vom Meer, aufgeschrieben von Stefan Kruecken.
Zur langen Liste der Dinge, die ich der AfD übelnehme, gehört der Missbrauch meiner liebsten Farbe. Blau ist für mich für die Nordsee an einem warmen Sommertag. Das ist der Himmel über Helgoland. Klarheit, Weite und Meer.
Nun nutzt die AfD Blau als Anstrich einer Bewegung, die für engstirniges Vorgestern steht, für völkischen Stechschritt, aggressive Beschränktheit und hochgezogene Socke in Altherrensandale. Wenn die AfD eine Farbe ist, dann doch ein leeres Grau. Ein Nichtsgrau, wie eine Pfütze auf einer Hamburger Hafenkai an einem Nachmittag im Februar, öde und zum Dranvorbeigehen.
Blau hingegen ist der Ozean und der Himmel, die Farbe der Grenzenlosigkeit, als Pigment vor Jahrahrtausenden erfunden von den Ägyptern, die gemahlenem Kalkstein, Sand und Mineral wie Azurit mixten und erhitzten.
Wieso nutzt die AfD ausgerechnet Blau?
Blau war immer kostbar. Einer Legende nach lag es am fehlenden Ultramarinblau, dass Michelangelo sein Meisterwerk „Die Grablegung Christi“ nie vollendete. Die ultramarinen Pigmente waren für den Künstler zu teuer, aber kein anderer Farbton erschien ihm gut genug.
Wieso zum Lucke kam ausgerechnet die AfD zur Farbe der See? Mein Verdacht ist, dass Parteigründer Bernd, Pullunder- und Kinderrucksackträger, in maximal kartoffeliger Effizienz nachschaute, was die „Tories“ in Großbritannien und der „Front National“ in Frankreich so verwenden.
Unsympathische Parteien mit Ideen aus Beton benutzen konsequent Blau, das ist hier die Klammer.
Wie widersinnig eigentlich, denn die Farbe kommt sonst so frisch rüber, dass sie in der Reklame bevorzugt für Deodorants und Putzmittel verwendet wird. Der Farbforscher Axel Venn erklärte im Deutschlandfunk, dass Blau von Wählern verbunden werde mit „kognitiven Fähigkeiten“ und einem „hohen Maß an Sachlichkeit“.
Erkennungszeichen blaue Herzchen
Und das ist nun Ironie in Vollendung, denkt man an Björn Höcke, der in seinen Versuchen, den Sound zu Joseph Goebbels zu kopieren, auch immer ein wenig zurückgeblieben wird.
Ein Erkennungszeichen von AfD-Anhängern in den Sozialen Netzwerken ist das blaue Herzchen geworden. Kontextfrei tippen sie unter Facebook-Beiträge ihre blauen Herzchen und gerne auch drei andere Farben.
Denn das sind die nächsten drei Farben, deren Symbolik von der AfD, die sich Diktatoren wie Putin, Assad und anderen Feinden der Freiheit anbiedert, verhunzt werden: Schwarz, Rot und Gold.
Stefan Kruecken, Jahrgang 1975, leitet mit seiner Frau Julia den von ihnen gegründeten Ankerherz Verlag. Vorher war er Polizeireporter für die Chicago Tribune und arbeitete als Reporter für Zeitschriften wie max, Stern und GQ von Uganda bis Grönland. Gerade erschien sein neues Buch: „Muss das Boot abkönnen“.