Stefans Geschichte vom Meer spielt in dieser Folge mitten im schweren Ostseesturm. Während die Sturmflut auf die Küste Schleswig-Holsteins zurollt, ist er auf der Reise der Finnlandfähre von Helsinki nach Travemünde. Hier seine Geschichte von Bord der Finnstar.
Die Finnstar läuft südlich des schwedischen Karlskrona, als der Sturm zum ersten Mal deutlich an Bord zu spüren ist. Knapp 220 Meter ist die Fähre lang, mit eisverstärktem Bug für die kalten Winter des Nordens, und sie verfügt über Stabilisatoren. Doch nun beginnt die Finnlandfähre in der achterlichen See zu rollen.
Mitten im Ostseesturm
„Der da vorne hat Spaß“, sagt Kapitän Niclas Seligson, 50. Er meint einen kleinen Frachter, der auf entgegengesetztem Kurs gegen die Wellen ankämpft. Die Nachrichten, die in diesen Stunden von den Küsten der Ostsee eintreffen, verheißen nichts Gutes: Landunter in Flensburg, auch in Lübeck, die dänische Polizei evakuiert den südlichen Abschnitt des Landes wegen einer Sturmflutwarnung.
In Großbritannien, über das ein anderer Orkan zieht, meldet man die ersten Toten.
Ich habe darum gebeten, ihn auf der Brücke besuchen zu dürfen, weil ich mit dem Kapitän über Verantwortung reden möchte. Wird es heute Abend möglich sein, im Hafen von Travemünde anzulegen? Bei Sturmflut und Wind mit zehn Beaufort?
„Ja, aber man braucht gute Nerven“, sagt Seligson.
Gute Nerven: Nicht nur er, sondern viele andere Seeleute, die in diesem Wetter arbeiten, sind gefragt. Lotsen, Lotsenversetzer, Seenotretter, die Männer in den Windparks. Ihre Arbeit auf der lebensfeindlichen Umgebung Meer wird noch schwieriger, seit sich das Klima verändert.
Seit dreißig Jahren fährt Seligson, Finne mit einer Sean-Conneryesken Augenpartie, zur See. Die Stürme werden heftiger, hat er beobachtet. Härter. Und sie kommen schneller. Noch nie gab es in einem Oktober so viel Wind wie in diesem Jahr.
Sechs Meter Welle werden für die Abendstunden vor Travemünde erwartet. Seligson meint, er habe dies in diesem Seegebiet noch nicht erlebt. Im Norden der Ostsee, im Herbst passiert das, klar, aber nicht so weit im Süden. Die Crew eines Schleppers wird ihn heute Abend beim Anlegemanöver unterstützen, ein zweiter müsste aus Rostock kommen. (Ein Video aus dem Sturm findest Du HIER auf unserem YouTube-Kanal.)
Die Abfahrt der Fähre Finnstar zurück nach Helsinki wird ziemlich sicher Verspätung haben. Gegen die hohe See anzustampfen? Das mache keinen Sinn.
Kapitän Seligson sieht zu, wie der kleine Frachter langsam am Horizont verschwindet. Nicht jeder könne mit dem Druck umgehen, sagt er über seinen Beruf. Ein Erster Offizier, junger Kerl, habe es vor Kurzem abgelehnt, befördert zu werden. Vier Streifen können auch eine Bürde sein. „Es ist eine Frage der Einstellung“, meint Seemann Seligson. Widerstandsfähigkeit sei so wichtig.
Was sich in diesen Zeiten nicht nur auf den Sturm auf See übertragen lässt.