Der Streit um Fischereifragen nach dem Brexit eskaliert: Eine französische Ministerin hat der Insel Jersey nun sogar damit gedroht, den Strom abzustellen.
Jersey ist eine verwunschenes Märcheninsel mit dichten Wäldern, mit steilen Felswänden und kleinen Fischersiedlungen. Die Insel kombiniert britische Pub-Kultur und französische Küche, bietet dazu Leuchttürme, Burgen und Landhäuser und alte Legenden. Einst war die Insel in der Bucht von St. Malo ein Paradies für Schmuggler, die Geschäften in Frankreich und an der Südküste Englands nachgingen. Nur 19 Kilometer Meer sind es an der kürzesten Stelle bis zur Normandie – doch die Insel ist britischer Kronbesitz.
Jersey und der Streit um Fischereirechte
Den Strom bezieht Jersey über ein Unterseekabel von Frankreich, und darum geht es nun in einem erbitterten Streit um Fischereirechte. Wo dürfen die französischen Fischer ihre Netze auswerfen? Dies sollte längst in den Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und Großbritannien geklärt sein – ist es in der Praxis aber nicht. Im Mittelpunkt der Diskussionen: Jersey.
Vor einigen Tagen hatten zwar einige französische Boote eine Lizenz für die Gewässer um die Kanalinsel erhalten. Allerdings mit Einschränkungen, etwa in einer begrenzten Zahl der Fangtage. Die Franzosen fürchten, dass der Zugang zu den Fanggebieten auch andernorts limitiert sein könnte. Einigen Trawler war die Lizenz verweigert worden.
Eskalation des Konflikts
Die Franzosen reagierten wütend und warfen der Regierung in London „inakzeptables Verhalten“ vor. Was die britische Seite als „unbegründet“ kritisierte und auf die Souveränität der Insel Jersey in der Frage der Fanglizenzen verwies. Tatsächlich ist der Status der Insel komplex: Jersey verwaltet sich selbst, hat eine eigene Gesetzgebung, wird aber von Großbritannien verteidigt.
Der Streit eskaliert seither, angeheizt auch von den Boulevard-Medien. Fragen der Fischerei war ein wirtschaftlich unbedeutender, aber emotional umso wichtiger Punkt der „Brexit“-Kampagne. Nun sagte die französische Fischereiministerin Annick Girardin vor dem Unterhaus in Paris diesen Satz: „Es würde mir sehr leid tun, wenn wir so weit gehen müssten, den Strom abzustellen.“
Wie bitte: Einer Insel den Strom abstellen? In Europa, im Jahr 2021?
Inzwischen hat sich Ian Gorst, Minister für Auswärtige Angelegenheiten der Insel Jersey, zu Wort gemeldet. Er nennt die Drohung „unverhältnismäßig.“ Französische Fischer aber hätten es schlicht versäumt, bestimmte Daten zu liefern, die für die Lizenzvergabe zwingend sein; sollten sie diese nachreichen, würden die entsprechenden Lizenzen erteilt. „Wir respektieren das historische Recht der französischen Fischer, in den Gewässern Jersey zu arbeiten“, sagte er.
Wird der Streit nun rasch gelöst? Die Zeit drängt, nicht nur wegen der Frage des Stroms. Französische Fischer drohen mit einer Blockade der Häfen auf Jersey.