Was ich bei den Muscheltauchern in Schottland gelernt habe

Junges Licht über Loch Spelvie, Insel Mull, Schottland, der Nordatlantik ist ruhig heute Morgen und über uns kreischt eine müde Möwe. Drei Männer sind an Bord des kleinen Kutters. Einer ist Autor von Ankerherz, Guy Grieve, er hat einen Winter in der Wildnis von Alaska überlebt und ein phantastisches Buch darüber geschrieben: „Eine Büroklammer in Alaska“ erzählt die Geschichte eines Mannes, der sich mit Bären, Wölfen und der Einsamkeit und Kälte herumschlug, um sich am Ende selbst wiederzufinden. Heute ist Grieve, ein großer, breitschultriger Mann mit dem Gesicht eines Lausejungen, Kapitän der „Helanda“ und Muscheltaucher.

Der blaue Kutter hat gerade die offene See erreicht, als etwas nicht stimmt. Grieve öffnet die Klappe zur Maschine und lehnt sich hinab. Er entdeckt ein kleines Leck an der Treibstoffzufuhr, winzig nur, doch Grieve ändert sofort den Kurs. Wir laufen Richtung Oban, dem Hafenstädtchen auf dem Festland, wo ein Mechaniker auf den Kutter warten wird.

„Muss das wirklich sein?“, mault Stef, einer der Taucher. Die Männer verdienen nur Geld, wenn sie Scallops vom Grund des Meeres holen. Die Jakobsmuscheln aus Schottland sind eine Delikatesse, ökologisch gefischt, für die Restaurants in Edinburgh, Glasgow und London gerne bezahlen.

„Willst du draußen sein, wenn das Boot in Flammen steht? Ist das eine gute Idee?“, fragt Grieve zurück. Damit ist die Diskussion beeendet.

Fang schlecht. Stimmung gut.

Sicherheit hat Vorrang, meint er, als die Docks von Oban in Sicht kommen, immer geht die Sicherheit vor. Mit drei Stunden Verspätung steuert die „Helanda“ schließlich die Fanggründe vor einer Insel an. Guy, der Boss an Bord, reißt trotzdem Scherze, um die Stimmung an Bord aufrecht zu erhalten.

„Es ist auf dem Meer immer, wie es ist“, sagt er.

Er habe auf dem Ozean gelernt, dass man Dinge nicht erzwingen kann. Dass man Geduld haben muss.

Und Ruhe finden.

Als die Männer ins Wasser gehen, hat der Wind zugenommen. Auf dreißig Meter Tiefe tauchen sie hinab, es ist ein riskanter, gefährlicher Job. Sie können sich in einem Netz verheddern. Wenn sie in der Tiefe Probleme mit der Ausrüstung bekommen, wir es eng. Die Ergebnisse der Tauchgänge sind heute eher bescheiden. „Kann nicht jeden Tag funktionieren“, meint Guy und verschwindet im Führerhaus, um den kleinen Ofen anzuschmeissen. Wenig später serviert er die frischesten Scallop-Muscheln der Welt auf einem Papiertaschentuch.

Die Narben durch Schleppnetze

Die Männer trinken schwarzen Kaffee und rauchen zwischen den Tauchgängen. Selbst in der Sonne weht ein kalter Nordwind, wir stellen die Kragen hoch. Was die Taucher im Winter mitmachen, wenn die Stürme über den Altantik ziehen und das kleine Boot in den Wellen treibt, mag man sich nicht vorstellen. Die Methoden der Muscheltaucher sind so umweltverträglich und im Einklang mit dem Meer, dass selbst Umweltschutzvereine begeistert sind. Der Meeresboden, erzählen sie, ist von den Schleppnetzen der großen Fangboote zerfurcht. „Sieht aus wie Narben“, berichtet Stef. Nur langsam erholt sich das Ökosystem wieder.

Am Abend tuckert die „Helanda“ wieder hinein in den Loch Spelvie. Besonders erfolgreich war der Tag wirtschaftlich betrachtet nicht, aber trotzdem sind alle gut drauf. Müde, erschöpft, glücklich. „Herrlich heute, das Wetter“, meint Guy, als er den Kutter festbindet. Kein Wort vom Leck, kein Wort vom schlechten Fang. Wir sitzen noch einige Zeit zusammen, beim Bier auf der Pier.

(Fotos von Andree Kaiser & Stefan Kruecken)

DIE HOODIES UND DAS BASECAP, das Ihr auf den Bildern seht, findet Ihr im Ankerherz Shop. „Eine Büroklammer in Alaska“ gibt es überall im Handel und hier bei uns.

  

 

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